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Eurozentrismus: Kritik einer Vorherrschaftsideologie

Eurozentrismus: Kritik einer Vorherrschaftsideologie

von Jean-Baptiste Pente

„Europe discovered America but who discovered Europe ?“ (Richard Poe) [1]

„Dass Europa im historischen Wissen als stillschweigener Maßstab fungiert, läßt sich an ganz banalen Beobachtungen festmachen. Es gibt mindestens zwei sehr verbreitete Symtome für die Subalternität nichtwestlicher Geschichten. Historiker aus der Dritten Welt    fühlen    sich     verpflichtet,     die     europäische     Geschichtsschreibung     zu berücksichtigen;  wogegen  Historiker  aus  Europa  ihrerseits  keine  Notwendigkeit erkennen, dieses Interesse zu erwidern. (D.Chakrabarty, 2003) [2]

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Der Eurozentrismus ist eine europäische Geisteshaltung, die als eine Form übersteigerten oder sogar  „abnormen Ethnozentrismus“(Asante)  bezeichnet  werden kann.  Demnach  ist  Europa mit dem weißen Nordamerika das Zentrum und die ‚restliche Welt‘die Peripherie in unserem Universum. Das Repertoire westeuropäischer ‚Einzigartigkeit‘reicht von der Historiographie über   Kultur   hin   zur   Geopolitik.   Ganz   trivial   ausgedruckt,   lautete   das   Prinzip   des Eurozentrismus: Europa und Weißsein über Alles ! Es ist zweifelsohne, dass diese Einstellung und  Verhaltensweise  in  rassistischen  Überzeugungen  wurzeln  und  die  Legitimation  zur Unterdrückung und Ausbeutung von nicht europäischen bzw. nicht-westlichen Kulturen und Gesellschaften darstellt. Fast alle europäischen Diskurse über Europa und Andere, wie z. B. den europäischen Feminismus [3]  reflektieren den Eurozentrismus. Ihre Parameter bewegen sich   unhinterfragt    fast    immer    innerhalb   ‚rassifizierter‘  Kategorien   und    kultureller Dominanz. [4]

Ethymologisch ist  es mir nicht  gelungen, die genauere Entstehungsgeschichte des Begriffs Eurozentrismus zurück zu verfolgen. Es ist daher schwierig zu sagen, wer den Begriff zuerst formuliert und geprägt hat. „The word ‚Eurocentrism‘apparently was coinced quite recently, to assemble ‚European ethnocentrism‘in to one word. (J. M. Blaut, 1993: 47) Man kann sicher  davon  ausgehen,  dass  der  Begriff  im  Zusammenhang   mit   der  Entstehung  der Postkolonialen  Theorie  und  ähnlichen  Kritischen  Theorien  formuliert  wurde.  Vielleicht  in Anlehnung am Eward Saids Begriff ‚Orientalism‘, Titel seines Buches, das heute eines der meist zitierten Bücher in der Postkolonialen Theorie geworden ist.

Der  Eurozentrismus  als  the  „Colonizer´s  model  of  the  world“ [5]  beginnend   mit   der europäischen  Renaissance [6]  schaffte  ein  Epizentrum  für  eine  neue  Interpretation  und Definition  der  Welt   und   der   Menschhheit.   Charakteristisch   ist   insbesondere   hier   die „Erfindung  von  Nord-  und  Südamerika(durch  Waldseemüller,  Vespucci  und  Balboa)  und gleichzeitig  die  Erfindung  Europas,   die   Zweiteilung   des   Mittelmeerraums   durch   eine imaginäre Linie, die südlich von Cadiz begann und nördlich von Konstantinopel entdete, die Verwestlichung    des    Christentums    und    die    Erfindung    einer    griechisch-römischen Vergangenheit für Westeuropa[...]“ (vgl. Michel-Rolph Trouillot, 1991/2002) und die spätere Veräußerung von Irrationalität, Passivität, Stagnation usw. an nichteuropäische Entitäten. Zu   Beginn   des   18.   Jahrhunderts   Christlicher   Ära(ChÄ)   griefen   alle   einflußreichsten europäischen    Philosophen    auf    diesen    Mittelalterlichen    ideologischen,    rassistischen‚ ‚Zauberkisten‘der  ‚Renaissance‘zurück  und  verfeinerten  ihn  mit  einer  wissenschaftlichen Camouflage.  „Man  verknüfte  die  vermeintlichen  Ungleichheiten  unter  den  Menschen  mit jenen Praktiken, durch die sie reifiziert wurden: Da die Schwarzen Untermenschen waren, wurden  sie  versklavt;  da  die  schwarzen  Sklaven  sich  schlecht  benahmen,  mußten  sie Untermenschen sein. Kurzum, die Praxis der Sklaverei in Nord- und Südamerika zementierte die stellung der Schwarzen am unteren Ende der Menschenwelt.“ (ebd.)

J. M. Blaut und Samir Amin gehören zu den bekanntesten Gelehrten, die sich explizit mit dem Eurozentrismus beschäftigt haben. An dieser Stelle muss es angemerkt werden, dass fast alle Kritischen   Theorien(Postkoloniale   Theorie,   Critical   Whiteness   Studies,   etc.)   auf   eine Tradition  kritischer  Reflexionen  unterdrückter  Schwarzer  Menschen  seit   Jahrhunderten beruhen.

Nach Blaut steht der Begriff Eurozentrismus für eine Denkungsart, die bis heute (sei es subtil) postuliert,  dass  die  Europäer  sowohl  in  der  Vergangenheit  als  auch  heute  anderen  nicht-europäischen   Völkern   überlegen   sind.   Er   sieht   dennoch,   dass   der   Begriff   an   sich problematisch ist, weil einige ihn in Abhandlungen, Diskursen als nur eine Art ‚Vorurteil‘, ‚Attitüde‘ oder „something that can be eleminated from modern enlightened thought in the same way we eleminate other relic attitudes such as racism, sexism and religiös bigotry.“  [7]

Die grösste Gefahr liege hierin nicht in seiner Verhamlosung, sondern darin, nicht wirklich zu verstehen, was der Eurozentrismus wirklich ist. Der Kern des Eurozentrismus lässt sich auf keinen Fall mit ‚Attitüden‘im Sinne von (simplen) ‚Werten und Vorurteilen‘gleichsetzen; der ist vielmehr „ a matter of science, and scholarship, and informed and expert opinion. To be precise, Eurocentrism includes a set of beliefs that are statements about empirical reality, statements  educated  and  usually  unprejudiced  Europeans  accept  as  true,  as  propositions supported by ‚the facts‘[...]. Eurocentrism[...] ist a very complex thing. We can banish all the value meanings of this word, all the prejudices, and we still have Eurocentrism as a set of empirical  beliefs.“ [8]  Dieses  Wesen  des  Eurozentrismus  macht  aus  ihm  ein  Ungeheuer, dessen  Konturen  nur  schwierig  skizzierbar  ist.   Europäische  Historiker  akzeptieren  im allgemein  diese  „set  of  belief“,  die  als  ‚Eurocentric  beliefs‘  genannt  werden  kann,  als Wahrheit seit Jahrhunderten oder Jahrzehnten und würden sich vehement  dagegen wehren, jede Verstrickung mit dem Eurozentrismus abstreiten oder sogar sich (persönlich) angegriffen fühlen,  wenn  man  ihnen sagt,  dass  ihre historiographischen Thesen auf keine historischen ‚Fakten‘ beruhen.  Wenn  sie  behaupten,  Europäer  hätten  die  Demokratie,  Wissenschaft,Feudalismus, Kapitalismus, die moderne Staatsnationsform, etc. erfunden, tun sie es, weil sie fest  daran  glauben,  dass  all  dies  Fakten  sind.  Dies  ist  für  J.  M.  Blau  eine  besondere Herausforderung   für   die   Schreibung   und   das   Verständnis   der   (Welt-)Geschichte   und Ideengeschichte, auch zumal viele Büchereien voller wissenschaftlicher Monographien, die eurozentristische Positionen, die sie(als Dekonstrukteure des Eurozentrismus) ablehnen und widerlegen [9], vertreten.

Die Tatsache, dass „Scholary beliefs are embbeded in culture, and are shaped by culture.“ ist, könnte vielleicht uns helfen der Paradox des Eurozentrismus und warum er so befremdend hartnäckig  ist,  sodass  Alttestamentliche  Mythen [10]  immer  noch  allgemein  als  wahre Geschichte betrachtet werden, zu verstehen. Dass Generation über Generation von Gelehrten den   eurozentristischen   Wissenschaftskorpus   ohne   jegliche   Evidenz   übernehmen   oder akzeptieren,   muss  nicht  nur  an  ihrer  ‚Überzeugungskraft‘(persuasivness)  und  ‚Macht‘, sondern auch an etwas anderem, liegen: „Eurocentrism is, as I will argue[...], a unique set of beliefs, and uniquely powerful, because it is the intellectual and scholary rationale for one of the most powerful sozial interests of the European elite.“ [11] Eine solche Struktur sei nicht nur  notwendig  für  den  Kolonialismus  und  Anhäufung  von  Reichtümern  für  Europa  und Unterentwicklung   der   Kolonien   gewesen,   sondern   auch   notwendig,   um   den   Neo-Kolonialismus   im   Interesse   der   ‚europäischen‘ Elite,   ihrer   Machterhaltung   und   der Weiterentwicklung Europas aufrecht zu erhalten. „For this reason, the development of a body of Eurocentric beliefs, justifying and assisting Europe´s colonial activities has been, and still is,  of  great  importance.  Eurocentrism  is  quite  simply  the  Colonizer´s  Model  of  the World“(ebd.)  Nach  dieser  akribischen  Bestandsaufnahme  stellt  J.M.  Blau  fest,  dass  der Eurozentrismus ursprünglich „Das Kolonisierungs-Modell der Welt“(‚The Colonizer´s Model of the World‘) im wahrsten Sinne darstellt. Dieses „Colonizer´s Model of the World“ ist mehr als nur ein „set of beliefs, a bundle of beliefs“. I has evolved, through time, into a very finely sculpted model, a structured whole; in fact a single Theory; in fact a super theory, a general framework for many smaller Theories, historical, geographical, psychological, sociological, and  philosophical.  This  supertheory  is  diffusionism.“ (ebd.)

Wie  er  es  selber  deutlich beschreibt, hat sich dieses  Colonizer´s Model of the World zu einer „Supertheory“  mutiert, die als „Diffusionism“ zu bezeichnen ist. Nach  J.  M.  Blaut  entstehen  (kulturelle)  Errungenschaften  oder  Veränderungen  in  einer menschlichen  Gemeinschaft  durch  eigene  Schaffung  oder  Entlehnung    aus  einer  anderen Gemeinschaft. Das erste nennt er ‚independent invention‘ und das  zweite ‚diffusion‘ . [12]


Bei der  ‚diffusion‘  gibt  es ein Zentrum als ‚Sender‘und  eine Peripherie  als  ‚Empfänger‘. Historiker,  die  diese  ‚diffusion‘-Theorie  vertreten,  werden  ‚diffusionists‘  genannt.  Hier werden zwischen normalen ‚diffusionits‘ und ‚extreme diffusionits‘ unterschieden. Eine weit verbreitete  ‚diffusionism‘-Form behauptet,  dass  die ‚pre-Kolombianische‘  Zivilisationen  in Amerika von Außen, also jenseits der Atlantik, gekommen sein muss: „because the civilizing traits(agriculture, temtle architecture, writing and so on) were found much earlier in the Old World than the New, and Native americans probably were not inventive enough to think up these things on thier own.[...] Some scholars, those who have been traditionally described as  ‚extreme diffusionits‘, believe that all civilization diffused from one original place an earth: some of them think that this original source of civilization was ancient Egypt, others place it somewhere in Central Asia(for instance, the Caucasus region –ehich scholars used to think was the original home of the ‚white‘or ‚Caucasian‘race). (ebd., S. 11) Anti-‚diffusionists‘ nennt   er  ‚evolutionists‘  oder  ‚independent-inventionists‘  .

Diese  ‚evolutionists‘ werfen ‚diffusionists‘ vor, a) sie hätten eine elitäre Sichtweise der Historiographie und würden b) die unabhängige   Erfindungsfähigkeit   der   Völker   ignorieren. 

Die   gleichen   Evolutionisten (‚evolutionists‘) offenbaren ihrer Widersprüche, indem sie witzigerweise behaupten:

a) Kulturevolution hätte ihr Zentrum in Europa,

b)  Sie akzeptieren explizit  oder  implizit,  dass Europäer  erfinderischer  und  innovativer  als
andere  Völker  sind.  „This  is  made  explicit  when  they  write  about  recent  centuaries,  and particulilary     when  they  discuss   the   modernizing,   missionarizing   effect   of   European colonialism. It is also implicit in their writings about ancient times. These anthropologists, archaeologists, geographers, and historians of the second half of the nineteeth centuary and the present century do not focus on the Bibel Lands, and their scholary writings do not disply any acceptance of religious assumptions. Yet Inside and Outside are explicit. They write abou the  Near  Eastern  origins  of  agriculture,  of  urbanisation,  and  so  forth.  They  then  move smoothly to arguments about European origins of most of the rest of civilization. (ebd., S. 13)

Er nennt verschiedene ‚Diffunionismusmodelle‘, auf die ich hier nicht ausführlich eingehen möchte. Ich werde dennoch zum Schluß kurz auf das Modell des eurozentristischen „Modern Diffusionism“  eingehen.  Sein  Basisargument  ist,  dass  „all  scholarship  is  diffusionist“ insofern diese von einem „Inside-Outside model“ der Historiographie ausgeht, nämlich einem ständigen  Zentrum  und  einer  Peripherie  „from  which  culture-changing  ideas  tend  to originate, and a vast periphery that changes as result (mainly) of diffusion from that single center.“  Dieser   allgemeine,   harmlose   Diffusionismus,   wenn   ich   es   so   sagen   darf, unterscheidet er konsequent vom Eurozentristischen Diffusionismus: „I do not argue that the formal theory of diffusionism, as it was advanced and defended by scholars in the neneteenth and early twentieth centuaries, explains the Inside-Outside model, the mythology of Europe´s permanent geographical superiority and priority. Rather, the theory developed as a result of broad social  forces in Europe,  and  entered  the world  of  scholarship  from  outside of  that world  – from  European  society.“(ebd.)  Der  ‚Eurocentric  diffusionism‘  ,  den  er  als  eine Wissenschaftstheorie  beschreibt,  ist  hier entscheidend. Diese Wissenschafts-Theorie ändert
sich im Laufe der Zeit, aber ihre Basisstruktur bleibt unverändert. Es gibt 14 klassische [13] Eurocentric  diffusionism-Punkte  seit  dem  frühen  19.  Jahrhundert  christlicher  Ära,  die  bis heute größtenteils weiter  verbreitet  werden.  „Most  European  historians still  maintain that most of the really crucial historical events, those that ‚changed history‘, happened in Europe, or  happened  because  of  some  causal  impetus  from  Europe.  ‚Europe‘continues  to  mean ‚Greater Europe‘[...] All of them are accepted as true by the majority , in some cases the great majority, of European historical scholars. Some of them indeeed are true, but that is beside the present point, wich is to show that historical reasoning still focuses on Greater europe as perpetual fountainhead of history)“ (ebd., S. 7):

1)  Die Nilotische Revolution, die Erfindung der Landwirtschaft und die erstem menschlichen Siedlungen fanden im Mittleren Osten(Land der Bibel) statt. Dieser Sicht blieb bis 1930 unwidersprochen und bleibt bis heute die mehrheitliche Sicht.

2)  Die  zweite  bedeutende  Stufe  der  kulturellen  Evolution  zur  Zivilisation,  nämlich  die Entstehung  der  ersten  Staatsorganisation,  Städte, organisierten  Religion [14],  Erfindung der Schrift, Arbeitsteilung und Ähnliches fanden im Mittleren Osten statt.

3)  Die Eisenzeit begann im Mittleren Osten. „Ironworking was invented in the Middle East or eastern Europe and the „Iron Age“first appeared in Europe.“

4) Der Monotheismus begann im Mitteleren Osten.

5)  Die Demokratie wurde in Europa erfunden, nämlich bei den Altgriechen.

6)  Die meisten reinen Wissenschaften sowie Mathematik, Philosophie, Geschichtskunde, und
Geographie wurden genauso in Europa erfunden.

7)  Gesellschaftliche   Klassen   und   Klassenkämpfe   entstanden   erst   in   der   Griechisch-
Römischen Ära und in der Gegend.

8)  Das Römische Imperium war das erste große Imperium in der Geschichte.  Die Römer
haben Bürokratie, Gesetze etc. erfunden.

9) Die nächste Stufe der sozialen Evolution, nämlich der Feudalismus, entstand in Europa.

10) Europäer haben im Mittelalter eine Reihe von Technologien erfunden, die sie über nicht-europäische Völker
stellten. [15]

11) Europäer haben den modernen Staatswesen erfunden.

12) Europäer haben den Kapitalismus erfunden.

13) Europäer  sind  einzigartig,  nur  unter  ihnen  findet  man  die  größten  Entdecker  und Abenteurer.

14) Europäer haben die Industrie erfunden und begründeten auch die industrielle Revolution.

Alle diese enumerierten Thesen werden – wie schon oben erwähnt  – in der  „Eurocentric diffusionism“-Historiographie bis  heute weitgehend  akzeptiert,  auch wenn über  einige von ihnen gestritten wird.  Die Problematik  hier  sei,  dass wir  alle diese Thesen sowohl in den Grund-  und  Sekundarschulen als auch an Universitäten,  in Büchern und  Medien aller  Art lernen. Der Kolonialismus im 19. Jahrhundert ChÄ habe für die Entstehung und Etablierung des klassischen „Eurocentric diffusionism“   als the „Colonizer´s Model of the World“  eine entscheidende   Rolle   gespielt.      Es   ist   also   kein   Zufall,   dass   diese   beiden   Pedioden zusammenfallen. Historiographie, Forschung und die Darstellung der Kolonisierten oder der zu  Kolonisierenden  durften  den  Europäischen  Interessen,  der  „Whitesupremacy“  nicht widersprechen: „colonial interest added an additional kind of distortion, a matter of shaping knowledge into theories that would prove useful for colonialism. Scientific and legal theories were constructed in general by policymakers and by intellectuals who were either themselves policymakers or were close to policy. (In England, for instance, an estraordinary percentage of the influential historians, social theorists, even novelists and poets, had directs connections with the East India Compagny, the Colonial Office, and other private and public agencies of empire.)“ (ebd., S. 24)

In seinem Buch „Eight eurocentric Historians“ [16] setzt sich J.M. Blaut ausführlich mit 8 klassischen  extrem  Eurozentritistischen  Historikern  und  deren  historiographische  Thesen auseinander  und  zeigt  inwiefern  diese  Thesen  mit  den  historischen  Gegebenheiten  nicht übereinstimmen. Die Thesen und Sozial-Theorie dieser Historiker trieben jedoch ihr Unwesen bis heute in der ‚historical geography‘  und ‚world history‘. „I try to demonstrate that our understanding of the human past will much improved ofter we have sifted out and discarded those  arguments  and  theories  that  falsely  attribute  historical  superiority  or  priority  to Europeans over all other peoples.[...] The present volume has a different but complementary porpose: to examine, and try to refute, eight distinct Eurocentric theories about world history that are important and influential in contemporary social thought.“ (J.M. Blaut, 2000, Eight eurocentric Historians, S. xi) [17]

Rekapitulierend  hat  der „Eurocentric Diffusionism“  4 grundlegende klassische Säulen, auf denen   seine duffusionistischen   Historiographie   und   Sozial-Theorien   ruhen,   nämlich 1) Religion, 2) Rasse, 3) Umwelt(Environnement) und 4) Kultur.

1) Religion
Die Europäische Christenheit hat den wahren Gott und er weist ihnen (den EuropäerInnen) durch die Geschichte ständig den Weg.

2) Rasse
Weisse Menschen haben eine vererbte Überlegenheit über die Menschen anderer Rasse.

3) Umwelt
Die natürliche Umwelt Europas ist der aller anderen Regionen überlegen.

4) Kultur
EuropäerInnen haben vor sehr langer Zeit eine Kultur begründet, die einzigartig, progressiv und innovativ ist.

Diese seit  dem 19. Jh. ChÄ triumphierende Doktrin hat  jedoch heute mehrere Tiefschläge erlitten, sodass mit einigen Thesen nur noch jongliert werden kann. Im früheren 19. Jh. ChÄ war  die  Religion-Säule  zentral  für  alle  „Eurocentric  Diffusionism“-Thesen.  Historiker scheuten jedoch nicht dagegen, Rasse-, Umwelt- und Kultur-Säulen hinzu zu addieren als „Gotts  Werkzeuge“  (God´s  instruments).  Als  das  Religion-Argument  unpopulär  wurde, begründete man nun die Europäische Superiorität anhand der Rasse, Umwelt  und Kultur.

Rassismus  ist  heute(zumimdest  offiziell)  jedoch  verpönt  und  es  bleibt  heute  nur  noch  2 Säulen(Umwelt und Kultur), auf die man sich festhält. Demnach ist das Losziehen, um die Welt  zu  erobern,  der  Europäischen  Umwelt  und  Kultur  zu  verdanken.  Die  Europäische Kultur  ist  der  anderer  Menschen  überlegen:  „they  caused  Europe  to  develop  faster  and further than every other society.“  Für J. M. Blaut sind all diese Argumente unbegründet, sie seien  weitestgehend  falsch:  „All  of  this,  I  argue,  is  wrong:  it  is  false  history  and  bad geography. Europe´s environment is not better than the environments of other places –not more fruitful, more comfortable, more suitable for communication and trade, and the rest. Europe´s culture did not, historically, have superior traits, traits that would  lead  to  more rapid  progress  than  that  achieved  by  other  societies:  individual  traits  like  inventivness, innovativeness,  ambitiousness,  ethical  behavior,  etc.;  collective  traits  like  the  family,  the market, the city. The rise of Europe connot be explained in this Eurocentric way. (ebd., S. 1-2)

Das ‚Emporkommen‘Europas begründet er mit dem ‚historischen timing‘und die massive koloniale Ausbeutung über Jahrhunderte. „Before  1492,  Africa  and  Asia  were  fully  as  advanced  and  progressive  as  Europe.  The developement of Europe began in 1492 and resulted from colonialism [...] The selective rise of Europe began in 1492  and resulted  in  colonial activities,  mainly in  the Americas.  The beginnings  of  colonialism  in  1492  resulted  from  global  locational  factors,  not  from  any special  qualities  within  European  society.  Therefore,  colonialism  explains  the  unique development of Europe. [...] One of the core myths of Eurocentric diffusionism concerns the discovery  of  America.  Typically  it  goes  something  like  this:  Europeans,   being  more progressive, venturesome, achievemment-oriented, and modern than Africans and Asians in the late Middle Ages, and with superior technology as well as a more advanded economy, went forth to explore and conquer the world. And so they set sail down the African coast in the middle of the 15th century and out across the Atlantic to America in 1492. This myth is crucial for diffusionist ideology for two reasons: it explains the modern expansion of Europe in terms of internal, immanent forces, and it permits one to acknowledge that the conquest and ist aftermath (Mexican mines, West Indian plantations, North American settler colonies, etc.) had significance for European history without at the same time requiring one to give any credit in that process to non-Europeans.[...]“  [18]

Wie   ich   es   schon   zuvor   erwähnte,   setzt   sich   J.M.   Blaut   mit   8   Eurozentristischen Histotikern(Eight Eurocentric Historians), die bis heute die Westliche historiographische und soziologische Diskurse beeinflußen, auseinander. „The first one, Marx Weber, was chosing for analysis because his ideas, now more than seven decades after his death, still underlie much more of contemporary Eurocentric historiography and have at least some influence on all  most  of  it.  The  other  seven  scholars  are  moderns  “ (J.M.  Blaut,  2000:  13) [19]   Die anderen  sind Lynn White, Jr; Robert Brenner; Eric L. Jones; Michael Mann; John A. Hall; Jared Diamond und David Landes. [20]

Eurozentrismus als „Modern Diffusionism“  – Eine grundlegende Metamorphose

Im  Grunde  genommen  hat  sich  kaum  etwas  Grundlegendes  zwischen  dem  „Classical Diffusionism“ des früheren 19. Jahrhunderts ChÄ und dem „Modern Diffusionism“ geändert. Das Schema von Zentrum und Peripherie und der anderen gewöhnlichen Dichotomie bleiben intakt.  Die ‚Zornengrenze‘ bleibt  durch die Markierung  hermetisch  festgelegt,  wobei das ‚rassifizierte‘ Paradigma  auch  mit  substantivistischer  Kamouflage  neu  überzogen  werden.

Nach dem Niedergang von Napoleon und dem sogenannten Ersten Weltkrieg(WK) kam die Zeit eines relativen Friedens und einer relativen Entwicklung in Europa. Der Kolonialismus hatte  ihnen  viele  Vorteile(Bodenschätze,  Märkte,  billige  Arbeit,  neues  Land  und  neue Siedlungen für EuropärerInnen ) gebracht, und löste auch gleichzeitig einige Europäischen inneren Widersprüche auf.(vgl. J.M. Blaut, 1993: 26) Dieser Prozess zementierte erneut die Thesen,  wonach  der  Prozess  der  europäischen  Zivilisation  und  ihrer  Verbreitung  stets fortschrittlich, dynamisch usw. gewesen sei. Im 20. Jh. ChÄ änderte sich diese Sicht, die Welt ist  nun  unter  den  Europäern  nach  Maß  als  Kolonien,  Semi-Kolonien  und  Einflußzonen aufgeteilt worden. Man machte sich nun mehr Sorge um Stabilität, die auch durch Rivalitäten unter  Europäern(sowohl  in  Europa  selbst  als  auch  in  den  Kolonien)  und  Widerstand  der unterworfenen Völker gefährdet war. Kurz nach dem 1. ‚WK‘ war die ersehnte Stabilität unter den  Europäern  nur  von  kurzer  Dauer.  Es  folte  der  2.  ‚WK‘.     Die  grosse  Sorge  der europäischen Intellektuellen drehte sich nicht mehr um „the idea of progress and expansion, but  on  question  of  how  to  prevent  disaster:  how  to  maintain,  or  return  to,  peace  and prosperity. The code word was ‚normalcy‘.“  Wirtschaftlicherseits tendiert man ebenso nach einer ‚ausgegliechenen‘ Theorie  wie  der  des  ‚Keynesianismus‘.  In  der  Geographie  ist  die Geburtsstunde des ‚Regionalismus‘, wonach die meisten Regionen der Welt  an sich stabil, historisch koherent und empirisch verlässlich beschreibbar sind. Die Anthropologie wird aus der Taufe gehoben. Diese vertritt 2 grundsätzliche Theorien, nämlich der ‚Funktionalismus‘ und der ‚Kulturrelativismus‘ [21]

Das ‚Hauptforschungsfeld‘ der Anthropologie blieb jedoch die  kolonisierten  Völker  und  ihre  eben  genannten  Theorien  waren  mit  den  kolonialen Interessen und deren Politik eng verbunden, nämlich „to prevent native unrest while allowing European exploitation of land, minerals, and labor.“(vgl. ebd.: 27) Nach J. M. Blaut dauerte diese Tendenz bis ca. 1940 ChÄ. Die ‚rassifizierte‘ Historiographie blieb sich traditionsgemäß treu.   In  den  Schulbüchern  preiste   man  die   Westlichen   zivilisatorischen   Vorteile   des Kolonialismus  in  Afrika,  Asien  und  ‚Lateinamerika‘. [22]  'Rassifizierte' Vorurteile  gegen nicht-weißen Völker wurde intensiver als je zuvor, wie bei den Nazis: „The notion that non-Europeans are less rational, less innovative, and so on, was as intense as ever: perhaps even more intense since this was the period of  Nazism and doctrines, and since genetic racism seemed,  in  this  era,  to  be  science,  not  prejudice. (ebd.) [23]  Nach  dem  Kollaps  des sogenanten 2. WK und dem Emporkommen der sogenannten Dritte-Welt-Bewegungen mit zahlreichen   Unabhängigkeitskämfen   musste   eine   neue   Taktik   für   den   ‚unsterblichen rassifizierten „diffusionism“‘   angewandt werden. Die Kolonien konnten in der alten Form nicht mehr kontrolliert werden. Die Perpetuierung der Dependanz der Kolonisierten mussten auch  nach  ihrer  formellen  Unabhängigkeit  fortbestehen.  Anknüpfend  an  alten  kolonialen Assimilationsideologien,   mit   denen   die   Kolonisierten   über   Jahrzehnten   oder   sogar Jahrhunderten  infiziert  wurden,  tauchten  neue  wirtschaftspolitische  koloniale  Modelle  auf.

Die Zauberkonzepte sind „Modernisierung“ [24]  und „Entwicklung“, denn das ‚Zentrum‘  ist seinem  Wesen  nach  schon  modern  und  entwickelt,  ist  auch  ständig  neuer  Wandlung unterzogen. Die ‚Peripherie‘ hat sich genädig nach dem ‚Zentrum‘ zu richten. Es bliebe ihnen zuerst keine andere Wahl [25].

„All colonies had been satured during the classical colonial era with the ideolical message that economic and social progress for the colonial people had to come through the diffusion of ‚modernization‘from the colonizing power.[...] I call this an ideological message, but it was in fact believed in profoundly by the colonizers, who felt that their mission was, indeed, to diffuse their own civilization to the peoples who were under their ‚colonial  tutelage‘,  and  the fact  that  this  mission  produced  wealth  for  their  own  country seemed only logical.[...] In the new situation the colonizers had to persuade the colonised that the  that  the  ‚modernization‘message  was  still  valid.  Doing  so,  they  might  convince  the colonized to voluntarily relinquish the ideal of political independence in favor of the more pragmatic ideal of economic and social development under a wise and benevolent colonial rule. Or, if independence was insisted upon, this ideology would convince the poeple of the country now acquiring freedom that the only way to develop that country economically and socially was to retain the colonial economy, that is, to allow the colonizer´s corporations and banks to continue their (profitable) work under the new regime: a system  everyone today describes   as   ‚neocolonialism‘.“ (ebd.:   28)

Der   Neo-Kolonialismus   als   ‚Eurocentric duffionism‘ ist mit einer starken ‚diffusionist proposition‘ verbunden, und funktionierte nach einer noch rafinierten Logik. Die UNO[26] sei in diesem System der ‚diffusionist proposition‘ gut involviert. Durch gezielte Propagandas setzten die Ex-Kolonial- und Neo-Kolonialmächte – wie  teilweise  erwähnt  – alles  daran,  um  die  Ex-  oder  Neo-Kolonisierten  davon  zu überzeugen,  das  gut  konzipiert  und  eingeführtes  koloniales  Wirtschaftssystem  weiter  zu praktizieren bzw.  zu  übernehmen.  Dies beinhaltet  u.a.  das  Konzept  und  die  Ideologie  der „Entwicklungshilfe“.  Hier würde jeder Mensch mit einem gesunden Menschenverstand von einer Hypokrisie oder einem Zynismus sprechen, aber es wäre wiederum vergessen zu wollen, dass  dies  der  reinen  Logik,  also  der  diskursiven  Verortung,  des  ‚neocolonialism‘  als ‚Eurocentric modern duffusionism [mit der] diffusionist proposition‘, entspricht. J. M. Blaut betont:  „remember  that  diffusionism  defined  the  colonial  process  as  beneficial  for  the colonised as well as the colonizer, and the technical and other personnel involved in the new colonial  development  activities  were  utterly  convinced  that  they  were  working  for  the advancement of the coloniszed people. At the same time, a parallel campaign was developed to further the same form of economic development in the independent contries, partly through agencies of the United Nations, partly through bilateral aid agreements. The United States, now  the  leading  economic  power,  began  to  etablish  ist  own  aid  programs  in  countries throughout the underdeveloped  world. Again, this should not be dismissed  as cynical  and political: there was, in this period, a tremendously euphoric ideology that saw the end of the world war as the beginning of an Age of Development, a time when the advanced nations would   work  to  bring  – that  is,   diffuse  – prosperity   and   advancement   to   the  poor nations.“ (ebd.) [27]

Der ‚modern diffusionism‘ ist als je zuvor profitabel auch für die Eliten der  sogenannten  Dritten  Welt  zum  Nachteil  ihrer  Länder  und  Bevölkerung.  Es  ist  daher natürlich, verständlich, rational als vor hundert Jahren, dass   der Mythos der Diffusion der sogenannten  Modernizierung  als  Gesellschaftsmodell  paradoxerweise  heute  auch  meistens von den Intellektuellen der sogenannten Entklungsländer propagiert werden, wie die Sozial-und  Wirtschatfstheoritiker  sowie  ‚Meinungs-Macher‘,  ‚Zukunftsforscher‘ und  ‚Religiöse Organisationen‘ der   Neo-Kolonialen   Länder   tun.   Wie   J.   M.   Blaut   richtig   darstellt, unterscheidet sich der ‚Classical Eurocentric Diffusionism‘  von dem   ‚Modern Eurocentric Diffusionism‘  in der Form, da religiöse Diskurse und andere Plumpheiten, wonach Europäer vom Christlichen Gott im Weitesten Sinne auserwählt seien, nicht  mehr populär ist. Heute erkennt man zumindest die Leistung der Zivilisation anderer Völker [28] „But with one vital qualifacation:  less rationality, less innovativeness,  than European  civilization.“ (ebd.: 29, ich hebe vor)

Für Samir Amin ist der Eurozentrismus ein kulturelles Phänomen, nämlich „[...] in the sense that  it  assumes  the  existence  of  irreducibly  distinct  cultural  invariants  that  shape  the historical paths of different peoples. Eurocentrism is therefore anti-universalist, since it is not interested in seeking possible general laws of human evolution. But it does present itself as universalist,  for  it  claims  that  imitation  of  the  Western  model  by  all  peoples  is  the  only solution  to  the  challenges  of  our  time.  Eurocentrism  is  not  the  sum  of  the  Westerners´ preconceptions, mistakes, and blunders with respect to other peoples. Aftter all, these errors are no more serious than the corresponding presumptions that non-European peoples hold with respect to Westerners. Eurocentrism is not a banal ethnocentrism testifyng simply to the limited horizons beyond which go back only to the renaissance, a phenomenon that did not flourish until the nineteenth century. In this sense, it constitutes one dimension of the culture an ideology of the modern capitalist world.( Samir Amin, 1989: vii-viii)

Der Eurozentrismus ist nach Amin auch keine Sozialtheorie, die dazu fällig wäre, nach einer Methode,  die  eine  Sozialtheorie  bieten  kann,  um gegebene  Fragen  zu  analysieren  und  zu explizieren, sondern „only a distortion –albheit a systematic and important one –from which the majority of dominant social theories and ideologies suffer. In other words, Eurocentrism is a paradigm which, like all paradigms, functions spontaneosly, often in the grey areas of seemingly obvious facts and common sense. For this reason, it manifests itself in a variety of ways, as much in the expression of received ideas, popularized by the media, as in the erudite formulations of specialists in different areas of social science.“ (ebd.) [29]

Für  Immanuel  Wallerstein  ist  der  Eurozentrismus  kaum  definierbar.  Bei  einem  Versuch könnte man ihn als eine konstitutive Geokultur der modernen Welt bezeichnen, welche die Sozial-  und  Kulturwissenschaften  so   nachhaltig  durchziehe,   dass   man  ihn  mit   einem ‚hydraköpfigen  Monster‘,  das  kaum  Konturen  aufweist,  gleichzusetzen  hat.(Wallerstein, 1997) [30]

Molefi  Kete  Asante,  Begründer  der  Afrocentricity-Theorie  und  eines  der  herausragenden Afro-Amerikanischen Herausforderer des Eurozentrismus macht einen Unterschied zwischen einem ‚normalen‘  Eurozentrismus  und  einem ‚anormalen‘  Eurozentrismus.  Er  geht  davon aus, dass erkenntnistheoretisch sowohl Sujekte als auch Völker ihr Wissen über die Anderen zuerst  nur  aus  eigener  Erfahrung,  sprich  ‚Sozialisation‘und  ‚Wertevorstellung‘(wie  auch immer)   erwerben   und   gegebenenfalls   durch   Geschichten,   Mythen,   Überlieferung   und Sonstiges  verbreiten.    Dies  ist  zuerst  weder  als  Historiographie  par  excellence  noch  als ‚wissenschaftliche‘  Investigationen   zu    verstehen.    Dies    entspreche    dem   ‚normalen‘ Eurozentrismus, den man bei allen Völkern als Ethnozentrimus difinieren würde.

Der  ‚anormalen‘  Eurozentrismus  sei  dagegen  jedoch  durchdacht,  gewaltätig,  räuberisch, rassistisch  und   negiert   die   ‚Existenz‘ und   Errungenschaften   der   Anderen   gegen   alle Evidenzenzen.  Die Schwarzen  litten und  leideten  am  Schlimmsten  unter  dieser  Form von ‚menschlicher,  ontologischer,  epistemischer  und  dekadenter  Weltsicht‘.  Dies  sei  um  so schlimmer, wenn eine solche Ideologie mit einer Machtposition verbunden ist.  „[...] I have always distinguished between Eurocentrism and extreme or abnormal Eurocentrism. The first is  a  natural  consequence  of  one´s  living  conditions  and  the  second  is  the  result  of ideologically driven desire to make a particulirism universal or to express a type of Western triumphalism that reduces other people to the margins of history. (Asante, 1999: Vii-Viii)

Für   Asante   muss   den   ‚anormalen‘   Eurozentrismus   konsequent   und   kompromißlos dekonstruiert   werden,   um   eine   ‚gesunde‘ Beziehung      jenseits   jeglicher   Westlicher unbegründeter Arroganz und Plattheit zwischen den Völkern aufzubauen. Der   Eurozentrismus   „such   an   ideology   is   [...]   intellectually   vapid,   scientifically unsupportable,  and  ethically unsound [...] I  is my intention  to show that  Eurocentrism  in historiography is at the base of much of intellectual arrogance that now confronts us in the academy  and  elsewhere.  Scholary  journals,  theatrical  productions,  scientific  terminology, social  science  books,  and  religious  texts  chosen  by  professors  are  often  connected  and integrted into the European racial domination system that must be defeated in order to have a more  just national and international society.“ (ebd.)

Zusammenfassend ist der Eurozentrismus sowohl eine Ideologie, eine Theorie, ein Paradigma als auch eine Meta-Theorie ‚rassifizierter‘hegemonialer Normativität, die sich jedoch, wie man in dieser Abhandlung erfahren konnte, nur sehr schwer beschreiben lässt. Man kann sich jedoch   darüber   einigen,   dass   der   Eurozentrismus   schlichtweg   das   ‚monsterhafte‘(I. Wallerstein) europäische „Colonizer´s Model of the World“ ist, wie J. M. Blaut es akribisch anhand der Natur, Komplexität und Ziels des Eurozentrismus demonstriert.

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[1] vlg. Richard Poe, 1997, Für den griechisch-stammigen US-Geschichtsjournalisten ist der Eurozentrismus an
sich   nicht  ein  Problem,  sondern  seine  abnorme,  rassistische  Form,  sie  sei  eine  Absurdität.  Er  habe  keine Probleme damit, dass seine Vorfahren ihr Wissen in Afrika erworben hatten. Er sei im Gegenteil stolz darauf, dass  diese  dieses  Wissen  erfolgreich  weiter  verbreiteten.  Vgl.  insbesondere  sein  Interview  „Poe,  Richard: Interview –Did African Explorers Civilize Ancient Europe? An Interview with Richard Poe, by Hisham Aidi“

[2] ‚Europa provenzialisieren‘–Postkolonialität und die Kritik der Geschichte, in: Jenseits des Eurozentrismus,
2002, S. 283

[3] vgl. das Buch von Paulette Goudge(2003): „The Whiteness of Power –Racism in Third World Development and Aid“, insbesondere das Kapitel: White Feminism and Racism, S. 152 ff.

[4] Wie Paulette Goudge auch ausführlich in ihrem Buch demontriert, spiegeln sich der Eurozentrismus und der Imperialismus  als  ‚Whiteness  of  Power‘     in   der   ‚rassifizierten‘ ‚Nord/Süd‘-Beziehung   wider:   „I  have demonstrated the existence of a regular pattern of dominance in the context which surrounds discourses and practices of ‚Third World‘development and aid. [...] this pattern is apparent from academic to popular writings, from committed workers to volunteers, from media commentary to my own diary jottings, from discourses about globalisation to tourism. Development and aid does not operate in a hermetically sealed vacuum protected from the influence of other aspects of North/South gepolitical relations. Development and aid workers and agencies are not the only ones to embody the superior position occupied by the West; but their role is a pivotal one in maintaining the fiction that the objective of the West is merely to assist with the progress of the undeveloped countries of the South. Our outward marker of whiteness rapidly signifies a massive weight of imperially and geopolitically based white power. (ebd., S. 200-201), vgl. die „Kritische Weißeinsforschung“

[5] Buchtitel von  J.M.Blaut, 1993

[6]  Für  Michel-Rolph  Trouillot  ist  es  ein  Mißbrauch  der  Geschichte,  wenn  ständig  von  einer  europäischen Renaissance  gesprochen  wird,  diese  sogenannte  Renaissance  sei  eher  eine  neue  Erfindung  Europas:  „Die sogenannte Renaissance, die viel eher eine neue Erfindung als eine Wiedergeburt war, mündete in eine Reihe von philosophischen Fragen, auf die Politiker, Theologen, Künstler und Soldaten mal konkrete, mal abstrakte Antworten gaben. Was ist Schönheit? [..], was ist der Mensch? Die Philosophen, die sich mit dieser letzten Frage beschäftigten, konnten schwerlich an dem Prozeß der Kolonialisierung vorbeisehen,[...]Menschen(Europäer) eroberten, töteten, beherrschten und versklavten andere Lebewesen, die zumindest von wenigen Zeitgenossen für nicht weniger menschlich gehalten wurden.“  In: Jenseits des Eurozentrismus –Postkoloniale Perspektive in den Geschichts- und Kulturwissenschaften, Conrad/Randaria(Hrg.), 2002, S. 86 ff.

[7] vgl. J.M. Blaut, 1993, S. 9

[8] Ebd., die Hervorhebung ist von mir.

[9] Um sich ausführlich mit seinen monumentalen Arbeiten und akribischen Argumentationen verweise ich auf die  entsprechenden  Arbeiten:  A)  „The  Colonizer´s  Model  of  the  World  – Geographical  Diffusionism  and Eurocentric History“, 1993; B) „Eight Eurocentric Historians“, 2000 und C) „The Debate on Colonialism, Eurocentrism and History“

[10] Ein   klassisches Beispiel der Eurozentristischen Medien-Landschaft (in Deutschland)  ist die Wochenzeitschrift  „Der  Spiegel“,  die  jedoch  ein  hohes  Ansehen  bei  ‚gebildeten‘Menschen  genießt. Ihre Sonderausgabe (Nr.3, 2009) mit dem Titel „Jerusalem -Geburtsstadt des Glaubens“ist für mich nicht ein Schock gewesen, da ich die eurozentristische ‚ideologische Position‘dieser Zeitschrift schon kenne. Der Titel löste dennoch bei mir ein Gefühl der Machtlosigkeit.Der Modus Operandi läuft nach dem alten nazisstischen, geschichtsverdrehenden Schemata: Ex Orient Lux, trotz der monumentalen Arbeit von E. Said. Dieser Titel allein diskreditiert  die Sonderausgabe und deren Inhalt, denn wenn man historiographisch ernsthaft nach einer Geburt des Glaubens oder einem Geburtsort des Glaubens suchen würde, erschiene Ost- und Südlichen Afrika am Geeignetesten.(vgl. Lucia C. Birnbaum, Dark Mother: African Origins and Godmothers, 2001). Die gleiche Wochenzeitschrift   ist diejenige, die ihre Ausgabe vom  22.12.06,  Nr.52 titelte:  „Gott  kam  aus  Ägypten“, abgesehen davon, dass das Dossier nur höchstens 10% der historiographischen ‚Fakten‘entsprachen, weiß jeder Neuling  der Geschichtskomparastik, dass die tatsächliche Geschichte von Kemet(Altägypten)  samt  seiner Religion um Jahrtausende älter als die der Hebräer und Alttestamentischen Erzählungen sind. Wie kann dann „Jerusalem -Geburtsstadt des Glaubens“ drei Jahre später in der gleichern Zeitschrift  als historiographische These vehikuliert werden ?

[11] J.M. Blaut, 1993: 10

[12] Man könnte Blaut hier mißverstehen. Es ist mir nicht so ganz klar geworden, warum er die ‚Diffusion‘-Sicht an sich scharf verurteilt. Jede historiographische These, die in ihrer ‚Belegbarkeit‘nicht behaupten kann, ist gar keine mehr, sondern eine pure Interessenideologie oder ein gern gepflegtes Mythos, wie er selber brillant an der Eurozentristischen Historiographie belegt.(The Colonizer´s Model of the World, S, 1-49) Beispiele: 1)Das Out-Of-Africa-Modell der Monogenese der Menschheit, die ihren Ursprung in Afrika hat, ist auch eine ‚Diffusion‘-Theorie‘, die Cheikh Anta Diop schon in den 40er Jahren mit vehement verteidigte, ist nicht deshalb falsch, weil sie auf eine (solide) Belegbarkeit beruht. 2)Die Altgriechen haben z.B. ohne Ausnahme Afrika als Ursprung ihrer eigenen ‚Zivilisation‘angesehen. Dies ist auch eine ‚diffusion‘-Sicht, die meinem Wissen nach mehrfach belegt worden ist.   Der Eurozentrismus als Supertheory, die wiederum als ‚diffusionism‘  operiert, ist meines Erachtens nicht das Problem an  sich,  sondern die unbelegbaren Pseudo- und oft rassistischen Prämissen aus einem  anderen  Zeitalter,  mit  denen  ihre  Protagonisten  bis  heute  operieren.(vgl.  Poskoloniale  Theorie  und Kritische Weißseinsforschung) Ohne hier alles vertiefen zu wollen, könnte man zu seiner Entslastung sagen, dass er selber zugibt, dass der Begriff mißvertanden werden kann: „the word diffusionist “has some ambiguities, and these should not be allowed to bring confusion into the present discussion.“  J.M. Blau macht auch ganz klar Unterschiede zwischen ‚diffusionists‘ , also zwischen denjenigen, die jenseits des ‚rassifizierten‘Paradigmas ihre Thesen  auf  kosistenten  Prämissen  begründen  und  solchen(vor  allem Eurozentristen),  die aus  ‚rassifizierten‘ (neo)-kolonialen Prämissen ihre Thesen mordicus vertreten: „For instance, some scholars argue that important West African culture traits diffused across the Atlantic to America before 1492. Whether they are right or wrong in this matter, they are not arguing any sort of Eurocentric diffusionism, nor do they necessarily favor diffusion over  independant  invention  in  other  contexts. But most scholars who are consistent diffusionists are also Eurocentric diffusionists. “ (The Colonizer´s Model..., S. 13)

[13] Klassiv meint hier nur, dass die 14 unten enumerierten Thesen nur die Spitze des Eisberges darstellen.

[14]  Wie ich zuvor darauf hingewiesen habe,  vgl.   „Der Spiegel“- Sonderausgabe Nr.3, 2009 mit dem Titel „Jerusalem -Geburtsstadt des Glaubens“

[15] Hierüber soll es sehr kontroverse Positionen geben.

[16] J.M. Blaut(Hrg.), Eight Eurocentric Historians, Guilford Press, 2000

[17] Die Hervorhebungen sind von mir

[18] vgl. J.M. Blaut, 1492 –The Debate on Colonialism, Eurocentrism and History, 1992, Klappertext und S. 28

[19] Die Hervorhebung ist von mir

[20] Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Thesen von J.M. Blut gegen diese „Eight Eurocentric Historians“ verweise ich auf  sein gleichnamiges Buch.

[21]  Der  ‚Funktionalismus‘ist ein  Sozial- und Kulturdiskurs,  wonach  die  Sozial-  und  Gesellschaftssysteme stabil  und  selbstregulierend  sind.  Der  ‚Kulturrelativismus‘ möchte  jede  Kultur     ‚wertfrei‘ als  ‚autonom‘ definieren.

[22] Denn da kommen ihre Kaffees, Kakaos, Bananen usw.

[23]   Hier   ist   es   insbesondere   daran   zu   erinnern,   dass   Schwarze,   Afrikanische   Soldaten,   die   per Zwangsrekrutierung  oder  freiwillig  mit  den  ‚Alliierten‘ gegen  das  Nazi-Deutschland  am  fordesten  Front kämften,  mußten  unter  rassistischer  Diskriminierung  leiden.  Nach  der  Befreiung  von  Paris  durften  keine Schwarzen  Soldaten  an  der  ‚Siegerparade‘in  Paris teilnehmen.  Der  Vatikan  unter  Pie  XII   hatte auch  den ‚Alliierten‘1944 untersagt, Schwarze Soldaten  vor dem Vatikan zu positionieren.(vgl. u.a. den  BBC-Artikel vom 6 April 2009, „Paris liberation made 'Whites Only“ und das Buch von  Bille und Audifac "Et si Dieu n’aimait pas les Noirs : Enquête sur le racisme aujourd’hui au Vatican“ .

[24] ‚Modernisierung‘meint hier die Diffusion eines ‚modernen‘Wirtschaftssystems unter der Kontrolle von Großnuternehen,  die  den  jeweiligen  Kolonialländern  gehören.  Ein  modernes  Verwaltungssystem,  das  der kolonialen politischen Struktur treu bleibt. Eine moderne technische Infrastruktur wie Brücken, etc.

[25]  Einige,   die  zu   stolz   waren,   wurde  regelrecht   liquidiert,   Patrice   Lumumba(Kongo,   1960),   Christ Olympio(Togo, 1961), Felix Moumié(Kamerun, 1961), etc.

[26] Hierzu ist es interessant, die Entstehungsbedingungen der UNO in Betracht zu ziehen.  Es gibt sicher auch Erfolgstories der UNO, aber ich kann an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen.

[27] Die Hervorhebung ist von mir

[28]  Hier bleibt die Historiographie Afrikas problematisch. Denn die Afrikanische (Schwarze) Urheberschaft von Kemet (Altägypten) und seine Bedeutung für die Bildung der Westlichen Zivilisation wird noch  offziell negiert, obwohl diese Tatsachen unter allen seriösen Experten indiskutabel sind. Ich beschäftige mit dem Thema jenseits des Eurozentrismus seit Jahren; und kann zum Teil hier aus eigener Erfahrung sprechen.

[29]  Für  die  ausführlichen  Thesen  Amins  verweise  ich  auf  sein  Buch:  EUROCENTRISM, Monthly Review Press, 1989. Die französische Originalversion heißt L´Eurocentrisme: Critique d´une Ideologie, Anthropos, 1988

[30] vgl. Conrad/Randaria, Jenseits des Eurozentrismus, 2002, S. 12


 - Jean-Baptiste Pente  ist freier Publizist und lebt z.Z. in
Berlin

Copyright:  Das Urheberrecht liegt beim Autor, März2011

- Eurozentrismus: Kritik einer Vorherrschaftsideologie (Fabook-Version)


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1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Good job guys, thanks