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Lumumbas Martyrium 3/4

Lumumbas Martyrium  3/4

In Brüssel und Washington setzt man auf General Mobutu

Aber die Unabhängigkeit wurde schließlich weder erkämpft noch geschenkt – eher hastig hingeworfen. Im Januar 1959 war es in Léopoldville zu heftigen Unruhen mit mehreren Hundert Toten gekommen. Die belgische Öffentlichkeit begriff schockartig, dass ihre schwarzen »Kinder« im fernen Afrika mitnichten froh und zufrieden waren. Also ließ man die Kolonie in die Freiheit fallen.

Belgien hatte in den letzten Jahrzehnten seiner Herrschaft viel in die Infrastruktur des Landes investiert – und in ein rigides System der Apartheid: Am 30. Juni 1960 gab es im Kongo kaum mehr als ein Dutzend Universitätsabsolventen, kein kongolesisches Offizierskorps, keine einheimischen Fachkräfte für die öffentliche Verwaltung oder das Management von Bergwerken und Plantagen. Dafür gab es soziale Spannungen, innenpolitische Fraktionskämpfe und eine Exkolonialmacht, die gar nicht daran dachte, ihre Kontrolle über die größte Schatztruhe des Landes aufzugeben: Katanga, die Provinz im Südosten des Landes. Nicht dass es anderen kongolesischen Provinzen an Rohstoffen mangeln würde. Aber keine war und ist so reich an Kupfer, Kobalt, Uran wie Katanga. Und in keine andere Provinz hatten belgische Unternehmen so viel Geld gesteckt.

So rasch, wie die Unabhängigkeit über die Kongolesen gekommen war, so schnell ging sie in einer Kettenreaktion faktisch wieder verloren. Innerhalb von zwei Wochen meuterten kongolesische Soldaten gegen ihre belgischen Offiziere, worauf ein Massenexodus von Europäern einsetzte. Der diente wiederum als Rechtfertigung für eine Militärintervention der Belgier, die den katangesischen Politiker Moïse Tschombé, wegen seiner Bestechlichkeit auch »Monsieur Ladenkasse« genannt, zur Abspaltung ermunterten. Die von Lumumba zu Hilfe gerufenen UN-Truppen unternahmen zunächst nichts gegen den Sezessionisten, sondern erklärten sich zur neuen Ordnungsmacht in der Hauptstadt Léopoldville.

Denn auch die Führungsetage der Vereinten Nationen, die hier zum ersten Mal in ihrer Geschichte Blauhelme in einen Kampfeinsatz geschickt hatten, glaubte zu diesem Zeitpunkt an das Bild vom ewigen Chaos im Kongo, das amerikanische und europäische Medien in immer grelleren Farben malten. »Mit urzeitlichem Geheul«, schrieb das amerikanische Nachrichtenmagazin Time am 18. Juli 1960, »ist eine Nation von 14 Millionen Einwohnern in die Barbarei zurückgekehrt.« Und zwar durch das Wirken eines Regierungschefs, den der belgische Botschafter öffentlich mit »Luzifer« verglich.

In Brüssel und Washington setzt man auf General Mobutu

Als Patrice Lumumba am Abend des 27. November 1960 in seinem Autoversteck aus Léopoldville flieht, hat er eigentlich schon verloren. Zwischen ihm und dem UN-Generalsekretär, dem Schweden Dag Hammarskjöld, ist es längst zum Bruch gekommen, denn Letzterer hat auch nichts gegen die Sezession einer zweiten Provinz, des Südkasai, unternommen. Die CIA plant, offenbar mit Billigung von US-Präsident Dwight D. Eisenhower, Lumumbas Ermordung, weil der auf eigene Faust die kongolesische Armee gegen Sezessionisten eingesetzt und dabei sowjetische Flugzeuge benutzt hat – die USA bat er zuvor erfolglos um Hilfe.

Vor allem aber hat Lumumba seine Reputation als Galionsfigur der nationalen Einheit eingebüßt. Bei dem Versuch, die Sezession im Kasai niederzuschlagen, verüben die Truppen Massaker unter Zivilisten, vor allem an der Bevölkerungsgruppe der Luba. Den Luba hat Lumumbas Partei schon bei den Wahlen übel mitgespielt, es kam zu regelrechten Pogromen. So gerät er, der das kollektive Leiden aller Kongolesen zur Basis einer nationalen Identität machen wollte, nun selber in den Verdacht ethnisch motivierter Gewalt. Die Geschichte holt ihn ein. Denn während der Kolonialzeit waren eben nicht alle Kongolesen nur Opfer, sondern manche auch Täter. Die von den Belgiern kommandierte Force Publique, berüchtigt für ihren Terror gegen die Bevölkerung, bestand zu einem erheblichen Teil aus Angehörigen der Volksgruppe der Tetela. Und aus der stammt auch Lumumba.

Tatsächlich billigen weder das Weiße Haus noch die UN-Führung die Sezessionsversuche. Aber Lumumba erscheint in Washington und in New York zunächst als das größere Problem – und zusammen mit den Belgiern hat die US-Regierung auch schon einen Mann gefunden, der es lösen soll: Joseph Désiré Mobutu, zu diesem Zeitpunkt Stabschef der kongolesischen Armee. Er ist es, der Lumumba im September 1960 unter Hausarrest gestellt hat.

http://www.zeit.de/2011/03/Kongo-Lumumba?page=3

18.01.2011