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Lumumbas Martyrium 4/4

Lumumbas Martyrium 4/4

Ein halbes Kilo Patronen zur Exekution

Mobutus Truppen nehmen nun zusammen mit den Belgiern die Verfolgung des Flüchtenden auf. Lumumba schafft es bis zum Sankuru-Fluss, ist schon fast auf sicherem, von seinen Anhängern kontrolliertem Territorium, da greifen Mobutus Soldaten zu. UN-Blauhelme sehen mit an, wie sie Lumumba mit Gewehrkolben traktieren, und schreiten nicht ein.

Martyrium. Ein großes Wort. Aber anders lassen sich Lumumbas letzte Tage kaum beschreiben. Er wird zusammen mit zwei Gefährten, Maurice Mpolo und Joseph Okito, zurück nach Léopoldville in ein Militärcamp gebracht, dort immer wieder zusammengeschlagen. Mobutu, einst sein Weggefährte, sieht den Misshandlungen eine Weile zu.

Inzwischen sind die Fotos vom zusammengeschlagenen Lumumba um die Welt gegangen. Washington befürchtet ein PR-Desaster. Die UN ernten wütende Proteste afrikanischer und asiatischer Delegationen, weil sie Lumumba nicht beschützt haben. Brüssel bereitet hektisch seine Überstellung an die Sezessionsregierung in Katanga vor, wo ihm ein kurzer Prozess gemacht werden soll. Damit wäre das Ganze eine Angelegenheit unter Afrikanern. Und es eilt, denn Lumumba gelingt es, Briefe nach draußen zu schmuggeln und Soldaten auf seine Seite zu ziehen. Es droht die Meuterei.

In Léopoldville wächst die Unruhe. Afrikanische Blauhelme der unteren Ränge protestieren laut gegen die Rolle der UN. Anhänger Lumumbas haben Stanleyville als Sitz der Zentralregierung ausgerufen, ihre Einheiten sind auf dem Vormarsch. Am 15. Januar 1961 veranlasst Belgiens Regierung, Lumumba, Mpolo und Okito nach Katanga zu fliegen. Während des Fluges schlagen betrunkene Soldaten die Gefangenen halb bewusstlos. »Mehr tot als lebendig« – so beschreibt ein belgischer Major den Zustand der Gefangenen bei der Ankunft auf dem Flughafen von Élisabethville, dem heutigen Lubumbashi.

Lumumba, Mpolo und Okito stehen noch mehrere Stunden Folter bevor, ausgeführt von Soldaten, von betrunkenen Ministern aus dem Kabinett des »Katanga-Premiers« Tschombé und von belgischen Offizieren. Dann, am 17. Januar, fährt man die Gefangenen zu einer Waldschneise. »Jetzt werden wir getötet, nicht wahr?« Das sind die letzten überlieferten Worte Lumumbas.

Das Exekutionskommando verbrauchte angeblich ein halbes Kilo Patronen. Belgische Polizeikommissare verscharrten die Leichen nahe der Grenze zum damaligen Rhodesien, gruben sie wieder aus, zerteilten sie mit Äxten und Sägen und warfen sie in ein Fass voll Säure. Die restlichen Knochen wurden verbrannt, die Asche wurde in alle Richtungen verstreut.

Kurze Zeit darauf schlugen UN-Blauhelme die Sezession Katangas blutig nieder. Die Mission, damals höchst umstritten, gilt in der Geschichtsschreibung der Vereinten Nationen heute als Erfolg. Generalsekretär Hammarskjöld indes kam im September 1961 ums Leben, bei einem Flugzeugabsturz an der Grenze zwischen Katanga und dem heutigen Sambia – die Ursache des Unglücks ist bis heute ungeklärt.

Lumumba erlangte in der internationalen Linken eine Zeit lang den Status eines Märtyrers. Malcolm X hielt ihn für den »größten Schwarzen auf dem afrikanischen Kontinent«, Jean-Paul Sartre erklärte ihn zum Sinnbild für »ganz Afrika«. Und Mobutu, der Opfer seiner Machtpolitik gern posthum als Heldenbrüder ausgab, rehabilitierte Lumumba 1966, fünf Jahre nach dessen Ermordung.

Dann wurde es still um Patrice Lumumba. Gut vierzig Jahre nach seiner Ermordung gab der ehemalige Polizeikommissar Gérard Soete, seinerzeit an der »Entsorgung« der Leiche beteiligt, dem deutschen Dokumentarfilmer Thomas Giefer ein Interview. Vor laufender Kamera wickelt der inzwischen greise Soete aus einem Papier die Souvenirs seines Einsatzes aus: zwei herausgebrochene Zähne. »Armer Patrice«, sagt er, »das ist alles, was von dir übrig geblieben ist.«

http://www.zeit.de/2011/03/Kongo-Lumumba?page=4

*Mehr zum Thema im Buch der Autorin »Gott und die Krokodile – Eine Reise durch den Kongo«, das Anfang Februar im Pantheon Verlag erscheint

18.01.2011