Weitere Aussagen gibt es von David O. McKay und anderen. Für die Mitglieder der Kirche entsteht durch diese kontroversen Aussagen ein Konflikt. Hatten nun die Propheten seit Brigham Young Recht oder nicht, denn beide Aussagen können mit keiner Berechtigung gleichzeitig existieren. Dieses Beispiel zeigt die Problematik der mormonischen Offenbarungen und Prophezeiungen sehr gut auf. Bruce R. McConkie machte nach der Änderung im Jahre 1978 folgende Aussage:
Nun, diese interne Problematik über Offenbarungen und Prophezeiungen führt uns nicht weiter, sondern wirft nur ein sehr fragliches Licht auf die Kirche. Was hat nun wirklich zu dieser Entscheidung im Jahre 1978 geführt? Im Jahre 1890 wurde die erste Amtliche Erklärung der Kirche gegeben. Damals wurde die Praxis der Polygamie offiziell von der Kirche aufgegeben. Auch damals sagte man, es sei eine Offenbarung gewesen. Betrachtet man aber den Druck unter dem die Kirche stand, so erkennt man, dass es sich hier um eine unausweichliche Entscheidung gehandelt hat, die die Kirche hatte treffen müssen - mit oder ohne Offenbarung. Die Kirche hätte Verfolgung auf sich gezogen und nicht mehr wachsen können. Führer der Kirche und jeder, der in die Praxis verwickelt gewesen wäre, hätte ins Gefängnis müssen. Ein Zustand, der sicherlich nicht gewollt war.
Diesem Druck war die Kirche auch in den 60er und 70er Jahren ausgesetzt. So lange auch in der Öffentlichkeit eine rassistische Haltung gebilligt war, konnte die Kirche mit ihrer Lehre leben. Nachdem aber, wie anfangs beschrieben, die Zeiten sich geändert hatten und auch in Amerika ein Gesetz zur Gleichstellung der Rassen erlassen wurde, geriet die Kirche zunehmend unter Beschuss. Die öffentliche Kritik schadete der Kirche. Zudem begann sich Widerstand von Innen breit zu machen. Viele Mitglieder erkannten schon lange, dass sich in der Haltung der Kirche etwas ändern musste. 1967 schrieb ein Sekretär der Kirche, namens Stuart Udall, in einem Brief folgendes:
Durch die Ahnenforschung fanden viele Mitglieder heraus, dass auch sie solche Vorfahren hatte, was zu erheblichen Problemen führte. Manche verschwiegen diese Tatsachen und andere ließen sich ihrer Priestertumsrechte entheben. Heilige Handlungen, die durch solche vollzogen wurden, mussten teilweise wiederholt werden.Wie sieht man nun heute, über 20 Jahre nach diesen Veränderungen, diese Problematik in der Kirche? Prinzipiell stellt man unter den Mitgliedern unterschiedliche Haltungen fest. Man möchte, wie auch mit der Polygamie, das Thema gerne in die Vergangenheit verdrängen. Es wird weiterhin versucht, Erklärungen zu finden, wobei die fundamentale Lehre immer noch Bestand hat. Wenn auch nicht mehr von der Kanzel gepredigt, so wird sie doch intern weiterverbreitet und gebilligt. Dies ist auch daran ersichtlich, dass noch viele erhältliche Bücher der Kirche Erklärungen dieser Art beinhalten. Eine Ausgabe der Salt Lake Tribune von 1998 bemerkt folgendes:
Weiter haben diese Apostel ihre Meinung auch dann noch beibehalten, als manche davon Propheten wurden. Es ist ein schwaches Argument, sich hinter einer scheinbar „persönlichen Meinung“ von einzelnen zu verstecken, wenn die gesamte Kirche über 150 Jahre lang diese Meinungen und „Theorien“ nach Innen und Außen vertreten und akzeptiert hat. Rooper pocht auf die „offizielle Lehre“ der Kirche und gibt an, dass diese nur auf Grundlage der Schriften zu finden ist. Da wären wir ja nun mal wieder bei unserem mormonischen Problem. Was ist eigentlich die offizielle Lehre der Kirche? Wo ist sie zu finden? Rooper muss sich bewusst sein, dass auch seine Meinung nur die Meinung von F.A.R.M.S. ist und nicht die der offiziellen Kirche. Es wäre interessant, eine Stellungnahme der Ersten Präsidentschaft zu diesem Thema zu erhalten, aber darauf wird man lange warten können. Die Kirchenpolitik war in der Vergangenheit immer eindeutig. Es gibt keine offiziellen Stellungnahmen. Man legt sich nach Außen hin nicht fest und lässt intern die Dinge weiterlaufen. Die bewegliche Welt des Mormonismus kommt wieder zum Vorschein.
Da, wo Aussagen von Generalautoritäten nützlich sind, werden sie herangezogen und gelten, wenigstens für die normalen Mitglieder, als Dogma. Es würde sich doch niemand wagen und es wäre auch absolut inakzeptabel für die Kirche, wenn jemand auch nur annähernd die Aussagen von Autoritäten der Kirche hinterfragen würde. Eine geschickte Politik, die zum einen die Linientreue der Mitglieder gewährleistet und zum anderen Platz für mögliche Umgehungsmanöver lässt, um öffentlicher Kritik zu entweichen. So war es immer. Der einzig richtige Weg wäre, den Unsinn dieser gesamten Lehre abzuschaffen und sich zu den Fehlern der Vergangenheit zu bekennen. Es gibt keinerlei Grundlage für die Anti-Schwarzen-Doktrin der Kirche. Sie ist ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert und ein äußerst schlechtes obendrein. Im Namen Gottes eine solche Lehre zu verkünden ist in meinen Augen fahrlässig und unverantwortlich und entbehrt jeglicher christlichen und human orientierten Ethik. An diesem Punkt lässt sich der Wahrheitsanspruch der Kirche sehr gut messen. Rooper macht Abstriche, hält aber an der grundlegenden Lehre fest. Andere gehen in der Kirche noch weiter und fordern eine komplette Haltungsänderung.
Die Kirche kann aber, selbst wenn sie es wollte, niemals zu einer solchen Änderung gelangen. Sie steckt in einer Zwickmühle, aus der sie nicht herauskommt. Würde man den Fehler eingestehen, so hätte man den ersehnten Frieden mit der Öffentlichkeit - aber für einen zu hohen Preis. Man müsste eingestehen, dass Generationen von Generalautoritäten sich geirrt haben und keinerlei Inspiration oder Offenbarung hinter all dem stand. Undenkbar. Und so existiert sie weiter in den Köpfen vieler Mitglieder, die Lehre von Fluch und Minderwertigkeit - auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts.
(1) Die Bibel, Genesis 4:15
(2) Salt Lake Tribune, Black Curse Is Problematic LDS Legacy, 6. Juni 1998, S.C1
(3) HLT Prophet Brigham Young, Journal of Discourses, Band 7, S.290, 1859
(4) HLT Apostel Bruce McConkie, Mormon Doctrine, S.108f., Ausgabe 1966
(5) Das Buch Mormon, Alma 3:6
(6) Die köstliche Perle,Buch Abraham 1:21,26,27
(7) HLT Apostel Bruce R. McConkie, Mormon Doctrine, p.527, Ausgabe 1966
(8) Andrew Jenson,L.D.S. Biographical Encyclopedia, Band 3, S.577
(9)Siehe Abbildung in Tanners, Mormonism - Shadow or Reality, S.270
(10) Eine Aufzählung ist zu finden in Dialogue: A Journal of Mormon Thought, Winter 1969, S.91f.
(11) HLT Apostel Mark E. Peterson, Race Problems - As They Affect The Church, S.7
(12) HLT Prophet Brigham Young, Journal of Discourses, Band 10, S.110, 1863
(13) HLT Apostel Bruce R. McConkie,Mormon Doctrine, S.527f., Ausgabe 1966
(14) HLT Prophet Brigham Young, Journal of Discourses, Band 7, S.290, 1859
(15) HLT Prophet John Taylor, Journal of Discourses, Band 22, S.304, 1881
(16) Lehre und Bündnisse, Amtliche Erklärung Nr. 2
(17) Salt Lake Tribune, 13. Juni 1978
(18) Deseret News, 10. Juni 1978, S.1A
(19)HLT Prophet Brigham Young, Journal of Discourses, Band 2, S.143, 1854
(20)HLT Prophet Brigham Young, Brigham Young Addresses, Ms d 1234, Box 48, Folder 3, 5.
Februar, 1852, zitiert in Bob Witte: Where Does It Say That? S.2ff.
(21)Brigham Young, Journal of Discourses, Band 2, S.143
(22) Joseph Fielding Smith, Der Weg zur Vollkommenheit, 1. deutsche Ausgabe 1936, S.102
(23)Seattle Magazine, Dezember 1967, S.60
(24) Bruce R. McConkie, All Are Alike Unto God, S.1
(25)Dialogue, A Journal of Mormon Thought, Sommer 1967, S.5f.
(26)Deseret News, 10. Juni 1978
(27) Lester Bush Jr., Dialogue: A Journal of Mormon Thought,Frühling 1973, S.41
(28)Salt Lake Tribune,Repudiate Racist Past, 16. Juni 1998, S.A10
(29) Aus einer Email im Frühling 2000 von F.A.R.M.S. an uns.
(30) Brigham Young, Ansprache vor der Utah Legislative am 5. Februar 1852, zitiert in Fred Collier, The Teachings of President Young, S.43
*Der Titel des Artikels wurde geändert. Es wurde genauso ein Zitat von M.L.King entfernt.
23 .03. 2007
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