EUROPA: Alice Schwarzer hat uns Frauen nicht befreit
Von Sibylle Krause-Burger
Im Vergleich dazu leben junge Frauen heute in paradiesischen Zeiten, wenn sie berufliche Ambitionen und Kindersegen unter einen Hut bringen wollen. Mit zahlreichen familienfreundlichen Gesetzen, mit dem Ausbau von Ganztagskindergärten und -schulen, können sie ihr Leben in Familie und Beruf kaum weniger frei gestalten als die Männer. Natürlich bleibt immer ein Rest an Unlösbarkeit, weil die Babys im Bauch der Mütter wachsen und weil dies eine eigene Art der Bindung und der Verpflichtung schafft.
Heute gestattet sich die Generalsekretärin der Sozialdemokratie, Mutter zu werden und gleichzeitig im Job zu bleiben. Ihr Verein toleriert es. Und die sichtbar schwangere Familienministerin leitet unverdrossen ihr Haus. Das ist jetzt angesagt. Man trägt Bauch. O beneidenswerte Gnade der späten Geburt.
All das belieben Alice Schwarzer und ihre Emmas auf dem Konto ihrer Heldentaten zu verbuchen. Doch da ist so wenig dran wie an der Mär der 68er, mit ihnen habe die Demokratie in der Bundesrepublik erst richtig begonnen.
Nein, das wuchs mit der Moderne im Westen, mit ihren technischen Wundern, die auch die Arbeitskraft qualifizierter Frauen brauchte und mit der Freiheit aller, ohne die unsere Gesellschaft nicht funktionieren kann. Es blühte auf mit der Pille, die uns erlaubte, das Gebären zu steuern, es wehte von Amerika herüber, auch von Frankreich, wo ganztätige Kinderbetreuung schon lange zum Erziehen gehörte. Und es kam mit den damals jungen Frauen zum Tragen, die nicht auf den Abwegen der albernen, verweiblichenden Sprachregelungen herumturnten oder die Männer verdammten, sondern mit ihnen zusammen – allen Schwierigkeiten zum Trotz – anpackten, was sie anpacken wollten.
Das hat das Feld bereitet, und es hat Konjunktur. Nicht in anderen Weltgegenden, den islamischen zumal, aber bei uns im Westen. Frauen sind Chefärztinnen, Verfassungsrichterinnen, Pilotinnen, Intendantinnen, Unternehmerinnen, Ministerinnen. Sie machen sich auf, die Dax-Vorstände zu erobern, sie hängen die Männer beim Fußball ab. Wir werden von einer Kanzlerin regiert. Frankreichs Finanzministerin, Christine Lagarde, soll den Weltwährungsfonds leiten. Hillary Clinton ist für den Chefposten der Weltbank im Gespräch. Aber immer noch rauscht Alice Schwarzer wallawallahaft durch die Szenen, teilt mit Schaum vor dem Mund in den Talkshows aus, schickt Männer und Kachelmänner zur Hölle, nervt. Wen eigentlich interessiert das noch?
Die Autorin ist Publizistin und lebt in Stuttgart.
21.06.2011
- Quelle
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen