[ Geraubtes zurückerobern: Simbabwer auf dem Weg zur Arbeit auf dem von ihnen besetzten Land eines weißen Farmers (13.4.2000)
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von Stephen Gowans
Mugabe hat sich mit dem »Milosevic-Plan« überhaupt nicht abgefunden und in bezug auf die Bürgerrechte eine Reihe von Beschränkungen erlassen, um den Destabilisierungsbemühungen entgegenzuwirken. Ein Mittel ist das Verbot von Nichtregierungsorganisationen (NGO), die als Instrumente der US- oder britischen Außenpolitik fungieren. NGO, die in Simbabwe arbeiten wollen, dürfen nicht aus dem Ausland finanziert werden und müssen ihre Finanzquellen offenlegen. Diese Maßnahme hindert Washington und London daran, über Strohmänner im Land zu operieren und sich in die inneren Angelegenheiten einzumischen. Nach einem Bericht der Washington Post (18.11.2005) wurden im Jahr 2005 aus demselben Grund in Rußland Gesetze erlassen, nach denen sich die dort arbeitenden 450000 NGO-Mitglieder behördlich registrieren lassen mußten. Damit sollten aus dem Ausland finanzierte politische Aktivitäten verhindert werden. Die Befürworter der Gesetzesänderungen charakterisierten die »international finanzierten NGO als eine ›fünfte Kolonne‹, die nach der Pfeife von Ausländern tanzen«.
Vergleichbares geschah in Simbabwe, als ausländische Journalisten das Land verlassen mußten, deren Arbeit davon geleitet war, Ziele feindlicher Nationen wie den USA und Englands zu propagieren. CNN-Reporter dürfen nicht mehr aus Simbabwe berichten, weil die Regierung sie zu Recht als Erfüllungsgehilfen der US-Außenpolitik ansieht. Welcher vernünftige und unvoreingenommene Mensch würde auch den Chauvinismus der CNN-Berichterstattung abstreiten? Geht man davon aus, daß es eines der Ziele Washingtons ist, sich in Simbabwes Angelegenheiten einzumischen, um die Regierung auszutauschen, dann ist der Bann gegen bestimmte Medienvertreter nichts als eine berechtigte, weil notwendige Einschränkung der Pressefreiheit.
Beschränkungen der Pressefreiheit sind nichts Neues in Simbabwe, wenngleich die von Mugabe angeordneten eher gerechtfertigt sind als jene, die der Westen andernorts zu verantworten hat. Nach einem Bericht der New York Times vom 29.März 2006 drohten die USA im Nachgang der im März 2006 in Belarus erfolgten Wiederwahl von Präsident Alexander Lukaschenko vierzehn Journalisten aus Belarus mit Sanktionen und brandmarkten sie als »Schlüsselfiguren der Propaganda, Verzerrung von Fakten und Angriffen auf die Demokratien (USA und England) und ihre Repräsentanten in Belarus«. 1999 bombardierte die NATO ein Gebäude in Belgrad, in dem Radio- und Fernsehredaktionen arbeiteten, und begründete es damit, von dort werde serbische Propaganda ausgestrahlt. (1)
In der Bevölkerung verankert
Die New York Times vermeldete am 24. Dezember 2005, während der Wahlen in Simbabwe 2002 seien Gesetze in Kraft getreten, die »aus Gründen der nationalen Sicherheit die Pressefreiheit und das Recht auf Versammlungsfreiheit einschränken«. Mugabe rechtfertigte die Einschränkungen als notwendigen Schritt, um die Pläne des Westens zu durchkreuzen, die Herrschaft über Simbabwe zurückzuerlangen. »Sie wollen unser Gold, unser Platin, unser Land«, erklärte er am 23. März 2007 gegenüber Globe and Mail. »All das gehört jedoch für immer uns. Ich werde bereit sein, für unsere Recht auf Souveränität zu kämpfen. Wir haben für unser Land gekämpft, um frei zu sein. Diese Ressourcen werden für immer unsere sein. Das sollte London endlich begreifen.«
Mugabes Warnung vor der Gefahr einer Rekolonialisierung »untermauert das scharfe Vorgehen gegen die wichtigsten unabhängigen Kräfte, prodemokratischen Gruppierungen und das Movement for Democratic Change (Bewegung für demokratischen Wechsel – d. Übers.), die allesamt breite Unterstützung aus dem Westen genießen und zumeist auch von dort finanziert werden«, wußte die New York Times am 24.Dezember 2004 zu berichten. (Man beachte den Hinweis auf die Opposition, die angeblich unabhängig sein soll, obwohl sie von breiter Unterstützung und Finanzierung aus dem Westen abhängig ist.)
Diese »Festung-Simbabwe-Strategie ist bemerkenswert effektiv gewesen«, erläutert die New York Times weiter. »Laut einer Umfrage unter 1 200 Bürgern von Simbabwe, die im August (2004) von südafrikanischen und US-amerikanischen Meinungsforschern durchgeführt und veröffentlicht wurde, hat sich der Grad des Vertrauens der Allgemeinheit in Mr. Mugabes Führung seit 1999 mit 46 Prozent mehr als verdoppelt – obwohl die Wirtschaft am Boden liegt und der Verdruß über die ökonomischen und Lebensbedingungen überall zu spüren ist.«
Mugabe, so vermuten seine Gegner, sichert sich seine Unterstützung, indem er den Verdruß der Bevölkerung auf ausländische Kräfte lenkt, um zu verhindern, daß sich der Ärger gegen ihn entlädt. (Die gleichen Argumente bringen die US-Regierung und anticastristischen Kräfte seit Jahren gegen Castro vor.) Wenn das zutrifft, dann existiert die Welle der Opposition gegen die Mugabe-Regierung nicht, von der wir glauben sollen, daß sie den Präsidenten jeden Moment aus dem Amt zu jagen droht. Sie ist vielmehr gegen Kräfte von außen gerichtet. Dazu paßt die Aussage in Globe and Mail vom 22. März 2007, daß die von den USA ausgehende Rettet-Simbabwe-Kampagne in der Realität »keine breite Unterstützung der Basisbewegungen (...) hat«.
In der Argumentation, daß Mugabe seine antiimperialistische Rhetorik nur dazu einsetzt, an der Macht zu bleiben, ist die Ansicht enthalten, daß a) ausländische Kräfte nicht verantwortlich sind für die tiefgreifende wirtschaftliche Krise, sondern daß b) Mugabe sie selbst herbeigeführt hat. Dieser Meinung sind Christopher Dell, der US-Botschafter in Simbabwe, und auch linke Kritiker Mugabes. »Weder Dürre noch Sanktionen sind die Wurzeln für Simbabwes Niedergang«, schreibt The Herald am 7. November 2005. »Das krasse Mißmanagement der Regierung von Simbabwe in der Wirtschaft und die Korruption haben die Krise bewirkt.«
In einem Land jedoch, dessen Ökonomie sich hauptsächlich auf die Landwirtschaft stützt, ist die Ansicht, daß Dürre keine ernsthaften ökonomischen Schwierigkeiten verursacht, absurd. Dürreperioden sind ein regionales Phänomen, wodurch bereits nach und nach die Bevölkerungen von Mali, Äthiopien, Malawi, Mauretanien, Eritrea, Südsudan und Simbabwe dezimiert wurden. Es war nicht die Umverteilung von Land, die die Landwirtschaft in Simbabwe zerstört hat; sie hat nur den handels- und exportorientierten Anbau der weißen Großfarmer zerstört, der sich auf die Tabakproduktion für den Export konzentriert hatte.
Genauso absurd ist die Auffassung, daß Sanktionen ökonomisch neutral sind. Die von den USA, der EU und anderen Ländern verhängten Strafmaßnahmen verweigern Simbabwe internationalen ökonomischen und humanitären Beistand und bringen den Handels- und Investitionsfluß zum Erliegen. Chirurgische oder gezielte Sanktionen wirken sich wie chirurgische oder gezielte Bombardements aus: nicht so »chirurgisch«, wie ihre Verfechter annehmen, sondern als Verursacher von einer ganzen Menge Kollateralschäden und großem Leid.
Linke Kritiker von Mugabe äffen die Argumente des US-Botschafters nach, sie fügen nur hinzu, daß Mugabes antiimperialistische und linke Rhetorik in Wahrheit unehrlich ist. Tatsächlich sei er rechtsgerichtet und reaktionär – ein Meister darin, links zu reden und rechts zu marschieren. (2) Wenn Mugabe aber wirklich der verkappte Reaktionär und insgeheime Proimperialist ist, wie einige Leute behaupten, warum sind dann die offen reaktionären, proimperialistischen Kräfte in Washington und London so beunruhigt über seine Politik?
Und schließlich muß man fragen: Wenn Mugabe die Einmischungen von außen wirklich nur als Rechtfertigung benutzt, um harsche Kontrolle ausüben zu können, warum wird die Einmischung dann nicht eingestellt, um ihm für diese Rechtfertigung keinen Vorwand mehr zu bieten?
Die Mugabe-Regierung verweigert jedem Bürger Simbabwes, von dem man annimmt, daß er ins Ausland reisen will, um dort für Sanktionen gegen Simbabwe oder für eine militärische Intervention zu werben, den Reisepaß. Das wird damit begründet, daß die Opposition dazu neigt, ihre Unterstützer in Washington und London dazu einzuladen, Strafmaßnahmen gegen das Land zu verschärfen.
Kein Land hat je uneingeschränkte Meinungs-, Versammlungs- und Reisefreiheit für alle Menschen und zu jeder Zeit gewährt. Gründe für berechtigte Einschränkungen hat es immer gegeben. Und die Bedingungen, unter denen diese berechtigten Einschränkungen verhängt werden, sind in der Regel solche, von denen sich der Staat bedroht fühlt. Ohne Frage sind die Regierung der ZANU-PF und die nationale Befreiungsbewegung, deren Politik sie weiter verficht, einer Bedrohung ausgesetzt.
Nach dem Bericht der Globe and Mail vom 23. März 2007 erklärte der Erzbischof von Simbabwe, Pius Ncube, vor einer Versammlung, daß »wir bereit sein müssen, uns einzusetzen, auch wenn das Feuer auf uns eröffnet wird«, damit »diese Diktatur jetzt niedergerungen wird«, und »wenn wir 30 000 Leute zusammenbekommen können, dann ist damit das Ende von Mugabe besiegelt. Ich bin zur Führung bereit.« Der Oppositionspolitiker Arthur Mutambara prahlt bei Times online vom 5. März 2006 damit, er werde »Mugabe absetzen, das verspreche ich, mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen«, und er werde nichts »ausschließen – nur der Himmel setzt mir Grenzen«. Wenn ich die Absicht äußern würde, Anthony Blair mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, zu beseitigen, und daß ich kein Mittel ausschließen würde, und wenn ich das vor dem Hintergrund tun würde, daß mich feindliche Kräfte aus dem Ausland unterstützen, dann würde es sicher nicht lange dauern, bis mir die Polizei einen Besuch abstattet.
Mugabes Befreiungsprogramm
Es ist nicht so sehr Mugabe persönlich, den Washington, London und die weißen Großfarmer Simbabwes stürzen wollen. Es ist seine Politik, und sie wollen sie durch ihre eigene, die von seiner völlig verschieden ist, ersetzen. Es gibt wenigstens fünf Gründe, warum Washington und London Mugabe vertreiben wollen, aber nicht ein einziger hat etwas mit den Menschenrechten zu tun.
Der erste Grund, warum Mugabe aus dem Amt gejagt werden soll, ist die Weigerung seiner Regierung, in den späten 90er Jahren Strukturanpassungsprogramme fortzuführen, die der Internationale Währungsfonds (IWF) angeordnet hatte. Diese Programme bewirken im allgemeinen, daß ein Volk ausblutet, damit die Zinslast der internationalen Schulden seines Landes abgetragen werden kann. Dazu gehören eine Politik der Geldentwertung, gravierende Kürzungen im Sozialbereich – eben alles, was Gelder zur Schuldentilgung freisetzt, ganz egal, welche Folgen das für die Bevölkerung hat.
Der zweite Grund war Mugabes Entscheidung, [im Jahr 1999 – d. Red.] Truppen in die Demokratische Republik Kongo zu entsenden, um der Kabila-Regierung den Rücken zu stärken. Das durchkreuzte die Pläne des Westens in der Region.
Der dritte Grund ist, daß Mugabes Wirtschaftspolitik nicht mit der gegenwärtigen neoliberalen Orthodoxie in Einklang steht. Zum Beispiel hat Mugabe kürzlich die Nationalisierung einer Diamantenmine bekanntgegeben, was im gegenwärtigen Klima ein Anachronismus zu sein scheint. Wenn man heutzutage irgend etwas verstaatlicht, dann wird man als radikal und rückwärtsgewandt bezeichnet. Das Movement for Democratic Change (MDC) – das der neoliberalen Tyrannei das Wort redet – will alles privatisieren. Aus diesem Grund sagt Mugabe über die Opposition, daß sie Simbabwes Ressourcen verschleudern will. Der Staat betreibt weiterhin staatseigene Unternehmen. Und die Regierung verlangt von ausländischen Investoren, daß sie bestimmte Bedingungen erfüllen. Beispielsweise können sie aufgefordert werden, Teile ihrer Profite in staatliche Anleihen zu investieren. Oder sie müssen mit einem Partner vor Ort zusammenarbeiten. Ausländische Investoren oder Regierungen, die sie repräsentieren, sind empört über diese Bedingungen.
Der vierte Grund ist die Tatsache, daß britische Unternehmen die Wirtschaft von Simbabwe dominieren, und die britische Regierung würde gern die Investitionen britischer Banken, Investoren und Unternehmen schützen. Wenn man die britische Presse liest, stellt man fest, daß es dort eine Fixierung auf Simbabwe gibt, wie man sie in diesem Ausmaß sonst nirgendwo findet. Warum hat England ein so gesteigertes Interesse an den inneren Angelegenheiten dieses Landes? Die gebräuchlichste Antwort ist, Britannien habe ein besonderes Interesse an Simbabwe, weil es der ehemalige Kolonialherr des Landes ist. Warum aber sollte die frühere Kolonialherrschaft über Simbabwe das Interesse an diesem Land erhöhen? Die Antwort ist, daß die Kolonialisierung den Weg bereitet hat für die ökonomische Beherrschung des Landes durch britische Unternehmen, Investoren und Banken – und diese Vorherrschaft setzt sich heute als Erbe der früheren Kolonialherrschaft fort. Wenn man ein Mitglied der herrschenden Klasse Englands ist oder einer ihrer Repräsentanten, dann will man natürlich sicherstellen, daß in dem Land, in das man enorme Investitionen gesteckt hat, jemand regiert, zu dem man volles Vertrauen hat und der auch gut auf die Investitionen aufpaßt. Mutambara, der in England ausgebildet wurde, dort gelebt und die imperialistischen Ansichten verinnerlicht hat, ist aus der Sicht der britischen herrschenden Klasse ein weitaus attraktiverer Verwalter ihrer Interessen als Mugabe.
Der fünfte Grund ist schließlich, daß die westlichen Mächte es gern sähen, wenn Mugabe durch einen vertrauenswürdigen Verwalter vor Ort ersetzt wird, der bereit ist, sich von dem beschleunigten Landreformprogramm zu verabschieden. Bei voller Entfaltung könnte dieses Programm, abgesehen von der Verletzung sakrosankter Prinzipien der kapitalistischen Glaubensgemeinde, zu einem inspirierenden Beispiel für die eingeborenen Landbevölkerungen der Nachbarländer werden. Selbst die Regierungen Kanadas, Australiens und Neuseelands schauen mißtrauisch auf Mugabes Landreformpolitik und möchten sie gern gekippt sehen, weil sie fürchten, sie könnte ihre eigenen Ureinwohner inspirieren.
London verletzt Verpflichtungen
Mugabes Regierung hat ihr Programm zur Umverteilung des Landes in den späten 90er Jahren forciert und dabei ganz und gar mit der undurchführbaren Politik gebrochen, die sowohl einen willigen Neuerwerber als auch einen willigen bisherigen Besitzer voraussetzt. Die Regierung durfte nämlich nur Ackerland an die Landbevölkerung verteilen, das die Nachfahren der früheren weißen Siedler, der nicht im Land lebenden Grundherren oder einige Mitglieder des britischen Oberhauses nicht mehr bewirtschaften wollten und es deswegen zum Verkauf freigaben. Die britische Regierung, die sich gegenüber ihrer früheren Kolonie zu finanzieller Hilfe verpflichtet hatte, um sie in den Stand zu setzen, diese Ländereien aufzukaufen, brach ihr Wort. Die Mugabe-Regierung stand in der Folge ohne die finanziellen Mittel da, mit denen sie für Enteignungen der riesigen Farmen, die der winzigen Minderheit weißer Nachfahren der britischen Kolonisatoren gehörten, Kompensationszahlungen hätte leisten können.
»Simbabwe brach schließlich 1997 mit dem Prinzip ›williger Käufer, williger Verkäufer‹. Durch das säumige Zahlungsverhalten der Briten funktionierte dieses Prinzip sowieso von Anfang an nicht, und es war klar, daß schon die bescheidenen Ziele dieses Programms mehr als das waren, was Großbritannien tolerieren würde. In einem Schreiben an den Landwirtschaftsminister von Simbabwe in jenem Jahr (1997) erklärte die britische Staatssekretärin für Internationale Entwicklung, Clare Short: ›Ich sollte in aller Deutlichkeit sagen, daß wir es nicht akzeptieren können, daß Britannien eine besondere Verantwortung trägt, für die Kosten des Landkaufs in Simbabwe aufzukommen.‹ Mit Bezug auf frühere britische Hilfszahlungen erklärte Short kurz und bündig: ›Mir wurde berichtet, daß es 1989 und 1996 Diskussionen darüber gab, in denen die Möglichkeit weiterer Hilfe erörtert wurde. Das ist jedoch alles Vergangenheit.‹ Short beklagte sich über ›ungelöste‹ Fragen wie ›den Weg, wie Land erworben und Ausgleich dafür gezahlt werden soll – natürlich würde es den Armen in Simbabwe nicht helfen, wenn das auf eine Art erfolgte, die das Vertrauen der Investoren unterminieren würde‹. Short zeigte sich sodann besorgt wegen der Interessen der investierenden Firmen. Abschließend schrieb sie, daß ›ein Programm zügiger Landaneignung, wie Sie es nunmehr ins Auge fassen, von uns unmöglich unterstützt werden kann‹, weil dadurch die ›Aussichten für attraktive Investitionen‹ zerstört würden.« (3)
Erst nachdem Mugabe dann sein beschleunigtes Landreformprogramm in Angriff nahm, initiierten Washington und London ihre Kampagne für einen Regimewechsel. Sie setzten Mugabes Regierung unter Druck, indem sie mit Sanktionen, dem Ausschluß aus dem britischen Commonwealth und Unterstützung der Opposition drohten und zu einer ungewöhnlich manichäistischen Verteufelung der ins Visier genommenen Regierung und einer Heiligsprechnung der vom Westen gestützten Opposition griffen.
Im Vergleich dazu favorisiert die MDC die Rückkehr zur Politik des undurchführbaren Programms »williger Käufer, williger Verkäufer«. Diese Politik kann aber nicht funktionieren, weil der Regierung schlicht das Geld fehlt, die Farmen zu kaufen, und England nicht bereit ist, das Programm zu finanzieren. Aber selbst wenn das Geld vorhanden wäre, müßten die weißen Eigentümer immer noch bereit sein, ihre Farmen zu verkaufen, bevor das Land umverteilt werden kann. Unter diesen Bedingungen könnte eine Landreform zwangsläufig nur im Schneckentempo umgesetzt werden. Der nationalen Befreiungsbewegung hat die Vorstellung, das Land, das der eingeborenen Bevölkerung einst geraubt wurde, zurückkaufen zu müssen, immer schon widerstrebt. Das ist so, als wenn jemand dein Auto stiehlt, und wenn du es zurückforderst, dann sagt man dir, du kannst es zurückkaufen, aber auch nur, wenn der Dieb damit einverstanden ist.
Kapitulation oder Unabhängigkeit
Eine Sache, in der sich Gegner und Befürworter der Mugabe-Regierung einig sind, ist die Tatsache, daß die Opposition versucht, den Präsidenten aus dem Amt zu vertreiben (illegal und unter Bruch der Verfassung, wenn man sich vergegenwärtigt, daß dieser Machtwechsel nicht auf einen Wahlsieg beschränkt bleiben soll). Was war zuerst da: die Versuche, die Regierung der ZANU-PF zu stürzen, oder das unnachsichtige Vorgehen der Regierung gegen die Opposition?
Glaubt man den westlichen Medien, dann ist die Antwort klar: natürlich das unnachsichtige Vorgehen der Regierung gegen die Opposition. Der Mugabe-Regierung wird vorgeworfen, sie sei aus sich heraus autoritär, machtbesessen um der puren Machtausübung willen, und entschlossen, alles dafür zu tun – vom Wahlbetrug bis zum Einschlagen von Schädeln –, sich ihre privilegierte Position zu erhalten. Dies sind die typischen Verleumdungen gegen die führenden Köpfe von Regierungen, mit denen die USA und das Vereinigte Königreich ihre Probleme haben,
von Milosevic über Kim Jong II bis hin zu Castro.
Eine weitere Sichtweise ist die, daß der autoritäre Führungsstil der Regierung die zwangsläufige Reaktion auf Umstände ist, die nachteilig sind für das Erreichen ihrer politischen Ziele (nicht die persönlichen ihrer Führer). Mugabes Partei kam an die Regierung, weil sie die Spitze einer Bewegung war, die nicht nur für politische Unabhängigkeit kämpfte, sondern anstrebte, den historischen Raub des Landes durch die weißen Siedler wieder rückgängig zu machen. Daß die Opposition dagegen hart und erbarmungslos sein würde – und es auch war –, war unausweichlich. Wenn die Regierung mit ihrem antikolonialen Programm überleben wollte, mußte sie auf diese Opposition ebenso hart und erbarmungslos reagieren.
Im Kern des Konfliktes steht ein Zusammenstoß des Rechts der einen gegen das Recht der anderen: das Recht der weißen Siedler, weiterhin Nutznießer der Profite und Pachtzinsen zu sein, die das geraubte Land abwirft, gegen das Recht der ursprünglichen Besitzer, ihr Land zurückzufordern. Damit eng verbunden ist der allgemeine Kampf für ökonomische Unabhängigkeit, der das Recht der Investoren und ausländischen Unternehmen auf Profit aus dem ungehinderten Zugriff auf die Arbeitskräfte, das Land und die Ressourcen Simbabwes gegen das Recht des Volkes von Simbabwe setzt, diesen Zugriff nach seinen Bedingungen zu beschränken, um seine eigene ökonomische Entwicklung zu ermöglichen.
Die Dichotomie persönlicher gegen politische Motivation als Basis für das Handeln geschmähter Regierungen kehrt ständig in Debatten wieder, in denen es darum geht, ob dieser oder jener politische Führer oder diese oder jene Bewegung gefördert oder bekämpft werden sollen. Schaut man nur auf die Person, sagt einem dieser Blick, daß alle Anführer korrupt sind, nur nach persönlichem Ruhm, nach Macht und Reichtum trachten, und daß sie auf unredliche Weise die Menschen manipulieren, für deren Wohlergehen sie sich eigentlich qua ihres Amtes einsetzen sollten. Der politische Blickwinkel schließt den persönlichen nicht als Möglichkeit aus, aber er stellt fest, daß das persönliche Verhalten von politischen Führungspersönlichkeiten durch ihre politischen Ziele bestimmt wird.
»Selbst George W. Bush, der auch Wahlen und Nachrichten manipuliert hat, um im Amt zu bleiben, und der ganz sicher Gefallen daran hat, der ›Kriegspräsident‹ zu sein, beharrt auf seiner Präsidentschaft, um ein bestimmtes Programm mit geradezu messianischem Eifer durchsetzen zu können«, erklärt Richard Levins. »Er würde niemals etwas zum Schutz der Umwelt tun, würde nicht für eine verbesserte medizinische Versorgung eintreten, freie Bildung garantieren oder Kirche und Staat trennen, nur um im Amt zu bleiben.« (4)
Mugabe ist manchmal auch kritisiert worden, er sei von einer unruhigen Bevölkerung, die angesichts der Schlitterpartie bei der durch das Lancaster-House-Abkommen (5) erlaubten Landumverteilung die Geduld verloren hat, zur Beschleunigung der Landreform gedrängt worden. Unverständlicherweise nehmen Mugabes Gegner an, daß er sich nicht wirklich persönlich für Landreformen engagiert. Das kreuzt sich mit Patrick Bonds Ansicht, der sagt: »Mugabe ist radikal in Worten – vor allem nationalistisch und antiimperialistisch – (um an der Macht zu bleiben), aber reaktionär in seinen Taten.« Er mache also nur das, was notwendig sei, seine Macht zu erhalten.
Wenn wir das als wahr akzeptieren, dann sagen wir, daß das Verhalten der Regierung bestimmt ist von einem der ursprünglichen Ziele der nationalen Befreiungsbewegung (Landreform) und daß die persönliche Seite dabei irrelevant ist. Egal, was die persönlichen Motive der Regierungsführer sind, der Kurs, dem die Regierung folgt, wird bedingt von den Zielen der größeren nationalen Befreiungsbewegung.
Es ist keine Frage, daß Mugabe auf die jüngsten Provokationen der MDC hart reagiert hat oder daß seine Regierung absichtlich provoziert wurde. Aber die relevante Frage ist nicht, ob man mit den Schlägen, die Morgan Tsvangirai auf den Kopf erhielt, zu weit gegangen ist, sondern ob das Verbot politischer Kundgebungen in Harare, gegen das die Opposition absichtlich verstieß, gerechtfertigt war. Die Antwort hängt davon ab, auf welcher Seite man steht, ob man also denkt, daß Tsvangirai und seine Parteigänger aufrechte Bürger sind, die bloß versuchen, ihre Ansichten frei zu äußern, oder ob sie die Interessen imperialistischer Regierungen vertreten, die darauf aus sind, ihre Hegemonie über Simbabwe zu errichten (oder wiederzuerrichten, wie in Englands Fall).
Es ist genausowenig eine Frage, daß Mugabes Regierung sich in einer prekären Lage befindet. Die Wirtschaft ist in einem heillosen Durcheinander, was zum Teil an langen Dürreperioden liegt, aber auch an den von der Landreform bewirkten Eruptionen und den Sanktionen des Westens. Die weißen Farmer wollen Mugabe loswerden (um die Umverteilung des Landes zu verlangsamen oder ganz zu stoppen), London und Washington wollen ihn loswerden (um sicherzustellen, daß neoliberale Reformen durchgesetzt werden können), und es ist sogar möglich, daß Mitglieder seiner eigenen Partei Mugabe zum Rücktritt bewegen wollen.
Zusätzlich zur Sabotage der Wirtschaft Simbabwes durch die Sanktionen haben Washington und London gezielt Gruppen und Individuen finanziell, diplomatisch und organisatorisch unterstützt, die sich für eine »Farben-Revolution« in Simbabwe engagieren (d.h., einen Regimewechsel unter Bruch der Verfassung). Dazu gehören unter anderem Tsvangirai und die verschiedenen Fraktionen der MDC.
Der Mugabe-Regierung bleiben nur zwei Möglichkeiten: entweder zu kapitulieren (und sich damit jede Chance zu nehmen, die Unabhängigkeit zu bewahren, die Simbabwe zu einem hohen Preis erkämpft und gesichert hat) oder sich zur Wehr zu setzen. Einige Leute mögen die Methoden der Regierung mißbilligen, aber wenn man sich das Handeln und die Ziele der Opposition vor Augen hält – und was auf dem Spiel steht –, dann war das scharfe Vorgehen der Mugabe-Regierung sowohl notwendig als auch verhältnismäßig.
(1) Bei der völligen Zerstörung des Gebäudes starben 17 Redaktionsmitarbeiter, viele wurden verletzt (Anm. d. Übers.)
(2) Patrick Bond, »Mugabe: Talks Radical, Acts Like a Reactionary: Zimbabwe's Descent«, Counterpunch.com, March 27, 2007; www.counterpunch.org/bond03272007.html
(3) Gregory Elich, Zimbabwe's Fight for Justice, Center for Research on Globalisation, May 6, 2005, globalresearch.ca/articles/ELI505A.html
(4) »Progressive Cuba Bashing«, Socialism and Democracy, Vol. 19, No. 1, March 2005
(5) 1979 wurde die Londoner »Rhodesienkonferenz« mit einer im »Lancaster-House-Abkommen« festgelegten Vereinbarung über die Zukunft der britischen Kolonie abgehalten (Anm. d. Übers.)
Aus dem Englischen von Jürgen Heiser
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