Venezuela gibt Milliarden Dollar für den Kauf von Waffen aus. Einer der Gründe dafür ist, daß Sie glauben, die Vereinigten Staaten versuchten, Venezuela zu überfallen. Ist das möglich?
Wir unternehmen einige Waffenkäufe, aber minimal. In den USA wird gesagt, ich rüste Venezuela auf, wir seien eine Bedrohung. Wir tauschen sehr alte und überholte Waffen aus und das mit Recht, denn die Regierung der Vereinigten Staaten hat uns diesbezüglich sabotiert, sie haben die Verträge nicht erfüllt. Um dir ein Beispiel zu nennen: Die F-16, die Venezuela vor langer Zeit gekauft hat, 20 Jahre und mehr, haben nun keine Ersatzteile mehr, sie wollen uns die Ersatzteile nicht liefern, so daß diese Flugzeuge nach und nach am Boden bleiben müssen, nicht fliegen können. Ich habe einige Suchoi-Flugzeuge in Rußland gekauft, um eine minimale Verteidigungsfähigkeit zu erlangen. Gegen wen? Es gibt eine Möglichkeit, daß die Vereinigten Staaten, die Regierung der Vereinigten Staaten, so wie sie im Irak einmarschiert sind, so wie sie den Iran bedrohen, auch nach Venezuela kommen. Das ist eine Möglichkeit, die wir nicht außer acht lassen dürfen, vor allem mit diesem Präsidenten, der politisch weder Recht noch Urteilsfähigkeit hat, der zu allem fähig ist.
Sie sind einer der größten Waffenkäufer in der Welt. Glauben Sie wirklich, die Vereinigten Staaten könnten intervenieren?
(lacht) Das ist nicht wahr, daß ich der größte Käufer bin. Nein, das ist nicht wahr, du kannst die internationalen Tabellen überprüfen, die öffentlich sind.
Aber in Lateinamerika schon.
Auch nicht, auch nicht. Kolumbien hat höhere Ausgaben für Waffenkäufe, auch andere Länder, Brasilien etwa. Schau, während wir in Moskau 30 Hubschrauber gekauft haben, wird Brasilien Rußland 100 abkaufen, wie Lula (Brasiliens Präsident Luiz Inácio »Lula« da Silva – d. Red.) mir kürzlich sagte. Chile hat gerade F-16-Kampfflugzeuge gekauft. Es ist eine Lüge, daß wir hier große Summen für Waffenkäufe ausgeben.
Wir setzen hier die Priorität auf Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnungen, Arbeit, die vollständige Entwicklung des Landes, und du kannst die Ergebnisse auf den Straßen sehen, in den Armenvierteln. Ich erwähne das, denn es ist Teil der Meinungsmache über Chávez, die in der Welt vorgenommen wird, daß er ein Waffenkäufer ist und Venezuela aufrüstet. Das ist das Minimum, das wir für die Verteidigung brauchen, aber hier sind die Berichte vom heutigen Tag, in der Presse von heute, sieh sie dir an, das erfüllt mich mit Befriedigung und mit Mut, um weiter zu kämpfen.
Die ärmsten Klassen Venezuelas ... Heute erscheint in der venezolanischen Presse eine Erhebung von Datanálisis, ein Meinungsforschungsinstitut, du kannst nachforschen, wer sie sind, sie sind nicht von der Regierung und unterstützen auch nicht die Regierung, sie unterstützen eher Teile der Opposition. Sie sagen, daß die ärmste venezolanische Schicht ihre Einkommen in den vergangenen zwei Jahren um fast 20 Prozent gesteigert hat, daß der Konsum der Ärmsten um fast 25 Prozent zugenommen hat, das zeigt, daß im Land ein Prozeß der Umverteilung des nationalen Reichtums hin zu einem gerechteren Land vor sich geht. Das ist mein wichtigstes Anliegen, hoffentlich wird dasselbe in den Vereinigten Staaten geschehen.
Wir haben die Armut von mehr als 50 auf 33 Prozent reduziert, die extreme Armut von über 20 auf zehn Prozent. Im Unterschied dazu sieht man in den Vereinigten Staaten, daß die Armut zugenommen hat, während der Regierungszeit von George Bush hat das Elend zugenommen – hier sind die Zahlen. Über mich bringt man nur die Waffen, den Kauf von Waffen, daß ich Bush einen Esel genannt habe, daß ich ihn einen Teufel genannt habe. Siehst du? Aber das ist Teil eines Konzeptes bzw. eines sehr viel größeren Zusammenhangs.
Heutzutage stehen sich in der Welt die Idee des Imperialismus, des Neoliberalismus und wir einander gegenüber. Wir glauben, daß es eine bessere Welt gibt, eine mögliche Welt, in der Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit, Gleichheit herrschen. Ich gehöre zu denen, die für diese bessere, neue Welt der Gleichen, der Gerechtigkeit, des Friedens kämpfen. Das ist bei George Bush nicht so, er kämpft für andere Dinge.
Klären wir etwas. Sie glauben, daß die USA Invasionspläne gegen Ihr Land haben. Bewaffnen Sie deshalb Ihr Volk?
Wir hoffen zuallererst, daß das nicht eintritt, denn die Unterschiede sind überwindbar. Wir müßten in diesem Falle in die Berge gehen. Wie schon Fidel Castro vor einigen Jahren sagte, wenn sie Venezuela oder Kuba überfallen, beginnt hier der Krieg der 100 Jahre. Barbara, wir aber wollen nicht, daß das geschieht. Warum sprechen wir nicht von schöneren, konstruktiveren Szenarien? Wir unternehmen alles, damit dies nicht eintrifft, aber in jedem Fall müssen wir uns vorbereiten. Es gibt einen alten Satz: »Wenn du den Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor.« Aber wir unternehmen alles Mögliche, um einen Krieg zu verhindern, möge Gott verhüten, daß dies jemals geschieht. Ich bete zu Gott, daß das Volk der Vereinigten Staaten bald einen anderen Präsidenten wählt. Ihr hattet intelligente, würdige Präsidenten. John Kennedy, ich kannte ihn nicht, aber Fidel spricht gut über ihn, obwohl er die Schweinebucht überfallen hatte, aber Fidel sagt, daß er ein intelligenter Mann war, und zweifellos war er es. Ich habe viel über Kennedy gelesen, seine Reden. John Kennedy sagte 1961 im Kongreß der Vereinigten Staaten: »Hört, hört! Es gibt eine Revolution im Süden, und der Grund dafür ist nicht der Kommunismus, sondern der Hunger, das Elend ...«
Jimmy Carter, mein Freund, der oft hierher gekommen ist, wir haben Stunden um Stunden um Stunden geredet, ist ein Mann der Ehre. Mein Gott, wäre doch Jimmy Carter der Präsident der Vereinigten Staaten oder jemand wie er, um reden zu können, um zu Vereinbarungen zu kommen. Vorgestern in Haiti habe ich die Tore zur Hölle gesehen, bevölkert von schwarzen Engeln die singen, die tanzen; das Elend, Barbara, wie viel könnten wir zusammen tun, die Vereinigten Staaten, Brasilien, Venezuela, Länder, die über einige Ressourcen verfügen, um gegen das Elend zu kämpfen. Alle drei Sekunden verhungert auf der Welt ein Kind!
Vor kurzem fuhr ich nach Bolivien, in die von den riesigen Überschwemmungen zerstörten Gebiete. Was war die Hilfe, die die Vereinigten Staaten schickten? Eine Million Dollar, das ist nichts angesichts der Tragödie dieses Volkes. Wir haben neun Millionen, zehn Millionen gegeben, wir haben einige Hubschrauber geschickt. Sie könnten viele Dinge schicken, aber sie tun es nicht, sie widmen sich dem Irak und geben dort Milliarden Dollar aus.
In Afrika gibt es kein Wasser. Es gibt Grundwasser, aber sie haben keine Bewässerungssysteme, die AIDS-Kranken sterben auf dem Boden, vor den Toren der Krankenhäuser, es gibt für sie keine Medizin. Es gibt Hunderte Millionen Analphabeten auf dieser Welt. Hoffentlich wird es eine Regierung der Vereinigten Staaten geben, der dies leid tut, und mit der wir zu Vereinbarungen kommen können, um diese Seuchen zu beseitigen, die die Menschheit geißeln. Die Gefahr der globalen Erwärmung, der Klimaeffekt, das ist eine Gefahr für das menschliche Leben, hoffentlich können wir das umkehren. Hoffentlich, hoffentlich wählt ihr einen Präsidenten oder eine Präsidentin, die sich um die Menschheit kümmert, der fähig ist, um ein sterbendes Kind zu weinen, um eine verlassene Frau.
Haben Sie einen Präsidentschaftskandidaten, den Sie mögen?
Nein, nein, und wenn ich ihn hätte, sollte ich es nicht sagen. Ich sollte das nicht sagen, denn das wäre eine Last für ihn oder für sie, nein, ich denke, das ist eine Angelegenheit ...
Sie sagen, er würde verlieren, es wäre eine Last. Würde es ihn behindern?
Nein, nein, ich werde dir etwas erzählen, was ich noch nie erzählt habe: Als Kerry Kandidat war, rief mich der Präsident von Citgo (staatliche venezolanische Erdölgesellschaft – d. Red.) an, unserem Unternehmen in den Vereinigten Staaten, und sagte mir: »Der Kandidat Kerry hat mich zu einem Treffen eingeladen. Was sagen Sie?« Ich sagte ihm, daß ich der Meinung sei, er müsse sofort herkommen, und hier haben wir gesprochen. Ich sagte ihm, geh, sprich mit Kerry, grüße ihn von mir. Ich habe die Mitteilung an Kerry geschickt, Kerry antwortete mir, ein Gruß, später schickte ich ihm einen weiteren. Ich glaube, daß er sich in seiner Strategie getäuscht hat, oder daß seine Berater ihn Bush und der extremen Rechten immer ähnlicher machten, anstatt einen humanistischen Diskurs aufzunehmen, anstatt zu sagen, daß sie die Truppen aus dem Irak abziehen werden, was der größte Teil der Nordamerikaner will.
Wenn ich Präsidentschaftskandidat der Vereinigten Staaten wäre, könnte ich die Wahlen dort gewinnen. Gib mir sechs Monate, und ich bin in der Lage, jeden rechten Kandidaten zu besiegen, denn ich weiß, was das Volk der Vereinigten Staaten will, und ich stimme mit mehr als 60 Prozent von ihnen überein: Frieden, Waffen raus aus dem Irak, soziale Sicherheit.
Ich bin in die Bronx gegangen, ich habe mehrere Städte der Vereinigten Staaten besucht, in denen wir Raffinerien haben, und ich weiß, daß dort Armut herrscht, ich weiß, daß die Mittelschicht der Vereinigten Staaten sehr gebeutelt wurde. Wozu soll ich dir noch mehr sagen? Ich würde Bush in einem Wahlkampf in den Vereinigten Staaten besiegen, wenn ich US-Bürger wäre natürlich.
Und wenn Sie jetzt antreten würden, könnten Sie in den Vereinigten Staaten gewinnen?
Nein, zur Zeit nicht. Ich sage dir, wenn ich US-Bürger wäre, wenn ich »Hug Chavez« wäre, wenn ich Politiker in den Vereinigten Staaten wäre, könnte ich Wahlen gegen Bush oder die Rechte gewinnen, ich wäre fortschrittlich, meine Linie ist die von Carter, meine Linie ist die von Martin Luther King, meine Linie ist die Linie des Humanismus, des Fortschritts, der Respektierung der Menschenrechte, und ich glaube, das ist das, was der größte Teil der Nordamerikaner, der US-Bürger will, da bin ich mir sicher.
Ich würde auch gern über Erdöl sprechen. Venezuela ist der viertgrößte Erdöllieferant der Vereinigten Staaten, und die Vereinigten Staaten sind der größte Kunde, aber Sie sagen, daß Sie die Exporte in unser Land kürzen werden. Warum? Und könnte es andere Umstände geben, unter denen sie den Erdölexport in die Vereinigten Staaten vollständig einstellen?
Trotz der Aggressionen gegen uns, den Staatsstreich, die von der Regierung der Vereinigten Staaten unterstützte Erölsabotage, haben wir nie aufgehört, unserer Lieferverpflichtung gegenüber den Vereinigten Staaten nachzukommen, wir haben unsere Lieferungen zu bestimmten Zeitpunkten sogar erhöht, und jetzt, was früher nie gemacht wurde, senden wir fast 100 Millionen Dollar an die Armen der Vereinigten Staaten, Spenden von heating oil (Heizöl – d. Red.), natürlich während der Wintermonate. Wir haben in unseren Arbeitsplänen nicht vorgesehen, diese Lieferungen zu reduzieren oder abzuschaffen, nein, wir haben nur gesagt, wenn es zu einer erneuten Aggression der Regierung der Vereinigten Staaten kommt, werden wir den Export von Erdöl suspendieren. Wir hoffen, das passiert nicht. Warum? Weil es unsere Wirtschaft sehr schädigen würde, und ich glaube auch die Wirtschaft der Vereinigten Staaten, was wir nicht wollen.
Gut, ich verstehe, daß Sie im Fall einer Aggression die Ölexporte kürzen oder einstellen würden. In der vergangenen Woche sagten Sie, daß Sie die Erdölexporte in die Vereinigten Staaten reduzieren werden.
Wir haben Exporte gedrosselt, wenn die OPEC vereinbart hatte, die Quoten für jedes Land zu senken. Zum Beispiel wurde vor zwei Monaten vereinbart, die Produktion der gesamten OPEC zu drosseln, und so muß Venezuela um zehn Prozent reduzieren, deshalb haben wir den Export in die Vereinigten Staaten zurückgefahren. Aber wir schicken ganz regulär, Barbara, und das muß das Volk der Vereinigten Staaten wissen, täglich anderthalb Millionen Barrel, und wir haben dort sieben große Raffinerien die Tausenden und Abertausenden Arbeitern der Vereinigten Staaten Beschäftigung geben, und wir liefern 13, 15 Prozent des Bedarfs der Vereinigten Staaten. Wir wollen das beibehalten, aber wenn sie uns angreifen, ein Staatsstreich, eine Sabotage, dann könnten wir das nicht. Aber wie ich dir schon mehrfach sagte: Was wir wollen, ist Frieden, Verständigung, Dialog mit der Regierung und dem Volk der Vereinigten Staaten. Das ist es, was wir wollen, und das unterstreiche ich hier in deiner Sendung.
Präsident Chávez, Sie sind in Venezuela sehr populär, Sie wurden mit 63 Prozent der Stimmen wiedergewählt, und Ihre Nationalversammlung hat Ihnen die Macht gegeben, Ihr Land für 18 Monate per Dekret zu führen. Es fällt den US-Bürgern manchmal schwer, das zu verstehen: Sie wurden demokratisch gewählt, warum müssen Sie jetzt mit Dekreten regieren?
All das ist demokratisch, das richtet sich gegen niemanden. Sie haben versucht und versuchen, mich mit dem Vorwurf, ich sei ein Diktator, zu dämonisieren, sie haben gesagt, daß hier eine Diktatur herrscht, daß das eine diktatorische Maßnahme sei. Um nichts in der Welt, das ist eine in der Verfassung vorgesehene Maßnahme. Die Nationalversammlung autorisiert den Präsidenten der Republik, im Ministerrat über verschiedene Themen Gesetze zu machen, sie legt die Grenzen fest, insbesondere im ökonomischen und sozialen Bereich.
Diese Gesetze müssen nun von der Nationalversammlung überprüft werden. Wenn jemand mit einem Gesetz nicht einverstanden ist, hat er die Möglichkeit, hier in Venezuela Unterschriften zu sammeln – das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt –, das Volk hat die Möglichkeit die Aufhebung von Gesetzen und die Aufhebung von Mandaten zu beantragen. Man hat versucht zu sagen, daß sei eine diktatorische Maßnahme, sie ist es aber in keiner Weise. Das ist das dritte Mal in meiner Amtszeit, daß meiner Regierung Sondervollmachten gegeben werden, aber das war auch der Fall bei fast allen Regierungen der letzten 50 Jahre bis heute, das ist nichts Außergewöhnliches, und es ist auch nicht gegen die Demokratie gerichtet, in keiner Weise.
Aber warum müssen Sie mit Dekreten regieren, Sie wurden demokratisch gewählt.
Ich regiere nicht per Dekret, das sind zwei verschiedene Dinge. Hör zu ...
Nein.
Nein? Das sind zwei verschiedene Dinge, eine Sache ist, daß der Präsident per Dekret regiert, um einige Entscheidungen zu treffen, die getroffen werden müssen. Hier gibt es eine Verfassung, ich habe sie bei mir, und hier gibt es Gesetze, und hier gibt es fünf Mächte: die Exekutive, die Legislative, die jetzt gerade Gesetze erläßt, die Judikative, die Bürgermacht, die Wahlmacht. Die Institutionen sind intakt. Nun gibt es einige Themen, zum Beispiel die landwirtschaftliche Entwicklung, die soziale Entwicklung, den Kampf gegen die Korruption, das Thema der sozialen Unsicherheit – das sind Plagen, die wir bekämpfen müssen, und dafür hat die Nationalversammlung der Regierung die verfassungsgemäße Möglichkeit gegeben, Gesetze zu erlassen, die später angewandt werden und die dann vom ganzen Land überprüft und kritisiert werden oder eben auch nicht. Ich regiere nicht per Dekret, ich regiere im Rahmen eines Projektes der wirtschaftlichen, politischen, sozialen Entwicklung, das sind verschiedene Dinge.
Bis jetzt, seit die Sondervollmachten im Januar verabschiedet wurden, haben wir zwei Gesetze auf dieser Grundlage erlassen, eines zum Schutz der Konsumenten vor der Spekulation, nachdem sich ein spekulativer Herd ausgebreitet hatte, den wir jetzt schon kontrollieren. Aber dieses Gesetz wurde in offener Diskusson getroffen, ohne eine irgendwie diktatorische Maßnahme. Man will ihm diesen Geruch anheften, aber das ist nicht die Wahrheit.
Venezuela hat Sie für eine zweite Amtszeit gewählt. Sie müßten Änderungen an der Verfassung vornehmen, damit sie eine weitere Periode antreten können. Sind Sie dazu bereit?
Ja, ja.
Sie wollen eine dritte Amtszeit?
Ja, ja.
Wie viele Jahre planen Sie, Präsident zu sein?
Ich habe keinen Plan dafür, ich habe keinen Plan. Zuerst wird Gott es wissen, niemand weiß, ob ich diese Periode beenden werde. Hoffentlich werde ich sie beenden, oder? Ich will sie beenden, ich will in diesen kommenden sechs Jahren die Bolivarische Revolution vertiefen, die bolivarische Demokratie, und dann, wenn die Verfassung eine unbegrenzte Wiederwahl vorsieht – wir schlagen eine Verfassungsänderung vor, um die Möglichkeit einer unbegrenzten Wiederwahl zu eröffnen. Wer aber wird am Ende entscheiden, ob ich eine dritte Amtszeit haben werde? Das Volk, demokratisch in Wahlen.
Wirklich? Sie wollen die Verfassung ergänzen, um die unbegrenzte Wiederwahl zu haben?
Um in Venezuela diese Möglichkeit zu eröffnen. In Frankreich hat Chirac gerade gesagt, daß er sich aus dem politischen Leben zurückzieht, aber er könnte erneut zur Wiederwahl antreten, und wer kritisiert Frankreich, weil es die Möglichkeit zur unbegrenzten Wiederwahl gibt?
Tony Blair war schon Premierminister, als ich noch gar nicht hier war, und er ist (im März 2007 – d. Red.) noch immer Premierminister, das ist eine demokratische Angelegenheit, denn am Ende hat das Volk in Wahlen die Entscheidung, es ist das Volk, das die Entscheidung trifft.
In den Vereinigten Staaten gab es eine Zeitlang diese Möglichkeit zur unbegrenzten Wiederwahl.
Wollen Sie nun Ihr Leben lang ein Führer sein wie Ihr Freund Fidel Castro?
Ich möchte ein Leben lang Mensch sein, ein nützlicher Mensch. Ich werde dir etwas sagen, es ist gut, wenn ihr es wißt. In dieser Verfassung – und es ist die einzige auf dem Kontinent und ich glaube auf der Welt, die das vorsieht –, gibt es die Möglichkeit des Amtsenthebungsreferendums. Das Volk, das dich gewählt hat, kann dir das Mandat wieder entziehen, wenn es mit dir nicht zufrieden ist. Gegen mich haben sie das Amtsenthebungsreferendum durchgeführt, nur daß wir es gewonnen haben, ich wurde erneut mit fast 60 Prozent der Stimmen bestätigt. Aber das gilt in jeder Amtszeit und für jedes aus Volkswahlen hervorgegangene Mandat: Gouverneure, Bürgermeister.
Jetzt versuchen sie es wieder mit der alten Leier, daß Chávez einen Plan macht, um sich an der Macht zu verewigen. Nein, Chávez könnte hier eine dritte Amtszeit machen und, ich weiß nicht, vielleicht auch eine vierte, was schon sehr lang wäre, wenn das Volk es will, und das Volk hat es auch in der Hand zu sagen: Jetzt ist es genug, Chávez, geh! – ganz frei in einem Amtsenthebungsreferendum. Wie schön wäre es, wenn es in den Vereinigten Staaten ein solches Verfahren gäbe, ich glaube, sie würden Bush gleich absetzen. Ich glaube, er würde ein Amtsenthebungsreferendum jetzt in den Vereinigten Staaten verlieren. Hier gibt es das, das ist eine Möglichkeit.
Wie geht es Ihrem Freund Fidel Castro gesundheitlich? Denken Sie, daß er die Geschicke des Landes wieder übernehmen wird?
Fidel ist very well, Fidel erholt sich. Es war eine sehr gefährliche Krankheit, es war sehr knapp. Obwohl ich dieses Privileg nicht wollte, war ich doch »privilegiert«, denn er hat gesagt, er habe Anweisungen gegeben, daß ich über alles informiert werde, wie die wirkliche Situation ist, und wir waren einige Monate lang sehr besorgt. Aber dann, vor zwei oder drei Monaten, hat sich die Genesung beschleunigt. Fidel hat schon wieder ziemlich zugenommen.
Ich kann dir sagen, daß Fidel heute wieder soviel wiegt, wie vor seiner Krankheit, aber zwischendurch war sein Gewicht sehr niedrig, er vertrug zu einem bestimmten Zeitpunkt keine feste Nahrung. 80 Jahre alt, du verstehst.
Dann seine Stimme, die eine Zeit lang offensichtlich sehr schwach geworden war. Ich habe gestern mit ihm am Telefon gesprochen, vorgestern, als wir in Haiti waren. Er hat viermal angerufen und Préval (René Préval, der Präsident von Haiti – d. Red.) hat mir gesagt: Fidel ruft an, aber erst als wir im Palast ankamen, konnten wir mit ihm sprechen, wir waren auf der Straße mit Tausenden und Abertausenden Männern, Frauen und vielen Jugendlichen, diesem heldenhaften Volk von Haiti. Dann sprachen wir, und er sagte mir: »Chávez, ich sehe, über Haiti zieht ein Wirbelsturm hinweg«, und ich sagte ihm: »Der Wirbelsturm ist deine Stimme«, denn seine Stimme schien ein Wirbelsturm zu sein, eine sehr feste Stimme mit perfektem Halt.
Deshalb glaube ich, daß Fidel ... Fidel hat einige Zügel in der Hand, soll doch niemand glauben, daß Fidel die Regierung aufgegeben und alles delegiert hat, nein, ich glaube, Fidel hält wie bei einem Reitpferd einen Zügel und Raúl den anderen. Ob Fidel wieder beide Zügel in die Hand nimmt? Ich glaube ja, und wir hoffen, daß er es noch einige Jahre tut, so Gott will.
Ich würde gern mit Ihnen über den Iran sprechen. Sie haben gesagt, wenn die Vereinigten Staaten Iran angreifen, werde Venezuela dieses Land verteidigen. Wie würden Sie das tun?
Das haben wir so nicht gesagt. Wir verteidigen bereits jetzt schon alle Völker der Welt; es ist nicht nötig, daß sie den Iran überfallen. Hoffentlich passiert das nie, das wäre ein noch viel größeres Unglück, auch für die USA, für das Volk der Vereinigten Staaten und für die ganze Welt. Der Erdölpreis würde auf über 100 Dollar pro Barrel steigen, denn es geht nicht nur um Iran. Ich bin sicher, wenn sie Iran überfallen, werden die Iranis – das ist jedenfalls das, was ich tun würde – die Meerenge von Hormuz blockieren, durch die fast das gesamte Erdöl hindurch muß, das aus dem Mittleren Osten kommt, so daß es nicht viel Erdöl gäbe, nicht genügend Benzin da wäre. Der Preis könnte auf über 100 bis 150 Dollar pro Barrel steigen, es wäre ein großes Unglück. Außerdem der Verlust von Menschenleben, die Konfrontationen, der Krieg eben. Bei der Liebe Gottes, warum noch mehr Krieg?
Heute verteidigen wir den Iran, die Souveränität, aber nicht nur die des Iran, sondern die aller Völker der Welt. Wenn sich nun eine Aggression, eine Invasion gegen den Iran ereignen sollte, werden wir in der Verteidigung des Irans vor den Vereinten Nationen, vor dem Sicherheitsrat fortfahren, gemeinsam mit den anderen Ländern Europas, Asiens, mit Rußland, mit China, die große Verbündete Venezuelas sind.
Ich glaube, es ist die Welt, die den Iran verteidigen muß. Erlaubt mir, auch euch zu empfehlen, den Iran zu verteidigen, denn eine Aggression gegen den Iran wäre ein Bumerang gegen das Volk der Vereinigten Staaten selbst und gegen die ganze Welt, da bin ich mir ganz sicher.
Als enger Freund des Präsidenten Ahmadinedschad – unterstützen Sie seine Erklärungen in denen er sagt, daß mit dem Staat Israel Schluß gemacht werden müsse? Sind Sie damit einverstanden?
Nein, damit bin ich nicht einverstanden, ich bin nicht einverstanden. Aber man muß das, was er sagte, in den Zusammenhang stellen. Weißt du, du bist Journalistin und ich glaube, du bist eine gute Journalistin. Es ist immer gut, den Zusammenhang zu sehen. Bei mir werden Sachen normalerweise aus dem Zusammenhang gerissen und bei Ahmadinedschad auch. Man muß den Zusammenhang sehen. Ich bin nicht damit einverstanden, daß irgendein Volk auf der Welt vernichtet werden soll, womit ich einverstanden bin, ist, daß alle Völker der Welt respektiert werden.
Nun stell das mit der Drohung der Vereinigten Staaten gegen Iran in Zusammenhang. Die nordamerikanische Elite will Iran beseitigen und sich sein Erdöl aneignen. Streichen wir diesen Plan, und wir können in Frieden leben und die Reichtümer der Welt teilen. Ich kann keine Idee unterstützen, ein Volk dieser Welt zu vernichten. Wer nun aber vernichtet, ist nicht der Iran. Wer die Völker der Welt vernichtet, ist die Regierung, die Elite der Vereinigten Staaten.