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Nach der "Françafrique" kommt jetzt "Sarkafrique"

Nach der "Françafrique" kommt jetzt "Sarkafrique"

von B. Schmid

Frankreichs neue Afrikapolitik, zwischen Kolonialismus-Apologetik und Partnerschaftsangebot Frankreich, die frühere Kolonialmacht in weiten Teilen Nord- und Westafrikas, geht auf dem afrikanischen Kontinent wieder in die Offensive. Nicolas Sarkozy auch in Deutschland heiß diskutierte Reise zum libyschen Oberst Kaddafi in Libyen, am Mittwoch und Donnerstag vergangener Woche, fand in den folgenden Tagen noch eine Fortsetzung in anderen Staaten Afrikas. Deren Ergebnisse wurden zunächst, in Frankreich und vor allem im Ausland, gegenüber dem Abstecher in Libyen vergleichsweise wenig beachtet. Inzwischen aber fällt das Augenmerk doch auf die Rede, die der französische Präsident vorige Woche in Senegals Hauptstadt Dakar hielt und die er gern als programmatisches Grundsatzmanifest verstanden hätte. Nicht nur die Berliner taz schlagzeilt an diesem Mittwoch: Sarkozy befremdet Afrika. Auch ein Grossteil der französischen Presse hält die Übung für missraten.

Reise in die Vergangenheit?

Die Bilder erinnern an uralte Szenen, die sich so oft in der Geschichte wiederholten. Doch gehören sie nicht längst vergangenen Zeiten an, sondern wurden am Freitag vergangener Woche aufgenommen. Da kommt ein französischer Staatspräsident am Flughafen der Hauptstadt einer Ex-Kolonie an.

Zum Empfang nimmt er eine riesige Militärparade noch auf der Startbahn des Flughafens ab, zum Klang des französischen Volkslieds ‚Auprès de ma blonde' ("Bei meiner Blonden"). Danach geht es weiter in die Innenstadt. Rechts und links der Straße, welche die Präsidentenlimousine befährt, hat eine (nicht wirklich spontan zusammengekommene) Menschenmenge Aufstellung bezogen. Sie trägt T-Shirts mit den Konterfeis der beiden Präsidenten, schwingt französische Fahnen, hebt Poster mit einem Slogan über die "unverbrüchliche Freundschaft" zwischen beiden Ländern in die Höhe. Und singt dabei: "Es lebe das Frankreich Sarkozys, es lebe die französisch-gabunesische Freundschaft!"

Im Anschluss lässt sich der Gastgeber ausgiebig feiern und versichert dem Staatsgast, dass im Lande alles in Ordnung und die gegenseitige Beziehung für die Ewigkeit gebaut sei. Der Gastgeber ist seit mehreren Jahrzehnten an der Macht und bereitet sich darauf vor, faktisch als Präsident auf Lebenszeit im Amt zu bleiben. Aktuell wird der Streit um die Nachfolge des Staatsoberhaupts zwischen seinem Sohn (und amtierenden Verteidigungsminister), seinem Neffen (und General) sowie seinem Schwiegersohn (und Finanzminister) ausgetragen.

In Lateinamerika würde man das Gastgeberland vielleicht als "Bananenrepublik" bezeichnen. Aber wir sind nicht im südamerikanischen Hinterhof der USA, sondern im Bereich der französisch-afrikanischen Beziehungen. Und das betreffende Land lebt auch nicht vom Export von Bananen oder anderen in Monokultur angepflanzten Tropenfrüchten, sondern sitzt auf einem bedeutenden Vorrat an Erdöl. Daneben weist es noch andere Bodenschätze auf, darunter Mangan- und Eisenerz, und exportiert Tropenhölzer. Früher wurde auch Uranerz abgebaut, aber die Uran-Mine ist seit 1985 erschöpft.

Das Land ist also potenziell reich. Doch, wie die französische Ausgabe von Wikipedia knapp und richtig [extern] zusammenfasst, "in Wirklichkeit profitiert die Bevölkerung nur wenig von diesen Reichtümern, so dass der Lebensstandard vieler Einwohner trotz eines relativ hohen Pro-Kopf-Einkommens", es beträgt rund 3.500 Dollar pro Jahr und Einwohner, "mittelmä?ig bleibt". Und das ist noch höflich ausgedrückt.

Trotz einer ziemlich kleinen Bevölkerung von rund 1,2 Millionen Menschen (auf einem Staatsgebiet, das ungefähr 70 Prozent der Ausdehnung Deutschlands nach der Wiedervereinigung ausmacht) besteht nach wie vor eine beträchtliche Armut. Die politischen Machthaber könnten sich, aufgrund der Reichtümer ihres Landes, den sozialen Frieden kaufen. Und tun es zum Teil auch, weshalb Gabun unter den Diktaturen des afrikanischen Kontinents noch als relativ gemäßigtes autoritäres Regime durchgehen kann: Massenhaft Oppositionelle zu erschießen, hat Omar Bongo gar nicht nötig. Aber größere Sektoren des Gesundheitssystems und des Schulwesens sind in jämmerlichem Zustand, ebenso wie das Straßennetz teilweise ziemlich schlecht unterhalten ist und selbst in der Hauptstadt oft Löcher in der Asphaltdecke aufweist.

Im "Index für menschliche Entwicklung" des UN-Entwicklungsprogramms UNPD kommt die Republik auf 124. Stelle von insgesamt 177 Ländern, obwohl sie extrem günstige natürliche Voraussetzungen bei gleichzeitig extrem geringer Bevölkerungszahl und -dichte aufweist.

40 Jahre im Amt

Der Präsident dieses idyllischen Ländchens hei?t Omar Bongo Ondimbo, von Kritikern mitunter spöttisch "Mullah Omar" genannt (in Anspielung auf den afghanischen halbblinden Taliban-Anführer, der 2001 den vorrückenden US-Truppen auf einem Mofa entflohen sein soll). Omar Bongo kam im Jahr 1967 an die Macht, so dass seine Amtszeit inzwischen die Kleinigkeit von vierzig Jährchen erreicht. Damit ist er selbst auf dem afrikanischen Kontinent, wo Potentaten und Autokraten oftmals an ihren Sesseln festkleben, der dienstälteste Staatschef.

Frankreich verdankt er so einiges. Bevor er an die Macht kam, war Omar Bongo dereinst Offizier und Geheimdienstmitarbeiter in der Armee Frankreichs, von dem das Land 1960 offiziell unabhängig wurde. Und seitdem im Jahr 1957 die Erdölförderung in Gabun, wenige Jahre später auch vor seinen Küsten begonnen hatte, besa? der damalige französische Erdölkonzern ELF Aquitaine (inzwischen mit Total und dem belgischen Unternehmen Fina zu einem Ensemble unter dem Namen Total fusioniert) faktisch mit die stärkste Macht im Staate. Hatte nicht Loïc Le Floch-Prigent, der ehemalige Direktor von ELF Aquitaine - kurz bevor er im Juli 1996 unter dem Verdacht auf Korruption und Unterschlagung von Firmenvermögen in Untersuchungshaft wanderte - eine "Beichte" niedergeschrieben, ein zehnseitiges Manuskript, worin er eifrig Firmengeheimnisse ausplauderte?

Dieses Manuskript sollte ihm als Faustpfand dafür dienen, dass er nicht alleine in der Haftanstalt schmoren und dort im Stich gelassen werden möge. Als daraufhin nicht viel passierte, obwohl die Existenz dieses Manuskripts ruchbar geworden war, wurde es am 12. Dezember 1996 durch das bürgerliche Wochenmagazin abgedruckt. Die Überschrift "Ma confession" schmückte die Seite Eins der Zeitschrift. Auf dem guten Dutzend Druckseiten konnte man so manche Einblicke in da Treiben von Elf Aquitaine und die Hintergründe seiner parastaatlichen Machtpolitik, meistens mit Rückendeckung des französischen Staates, vor allem in Afrika gewinnen. Und dort stand dann auch schwarz auf weiß, in der historischen Rückschau Le Floch-Prigents: "Elf ernennt Omar Bongo", oder über den starken Mann des Naxchbarlands Kamerun: "Paul Biya kann nur mit Unterstützung von Elf die Macht übernehmen". Diese Machenschaften spielten übrigens während des großen Elf-Prozesses, der 2001 begann und Ende 2003 mit der Verurteilung unter anderem von Le Floch-Prigent zu zweieinhalb Jahren Haft endete, keine Rolle. Denn die Debatten während des Prozesses waren von vornherein auf relativ unwichtige Fragen der firmeninternen Korruption eingeschränkt worden.

Mitunter griff Frankreich auch militärisch ein, um den Protégé der Pariser Politik bzw. der Erdölgeschäfte von Elf (später Total) zu schützen, wenn es sein musste. Im Mai 1990 kam es etwa zu heftigen Unruhen in Gabuns Hafenstadt Port Gentil, nachdem dort ein Oppositionspolitiker ermordet worden war. Kurz darauf dehnten sie sich auch auf die Hauptstadt Libreville aus. Daraufhin entsandte Frankreich, das permanent 850 Soldaten in Gabun stationiert hat, Fallschirmjäger – also Elitetruppen – zur Verstärkung in das afrikanische Land. Unter dem Vorwand, es müsse die rund 60.000 in Gabun lebenden französischen Staatsbürger retten, griff es ein und rettete Präsident Omar Bongo möglicherweise den Kopf. Präsident war damals der "Sozialist" François Mitterrand, Premierminister der Sozialliberale Michel Rocard, und im Verteidigungsressort sa? der Linksnationalist Jean-Pierre Chevènement. Was beweist, dass es über solche Angelegenheiten einen Konsens unter allen staatstragenden Parteien gab oder noch immer gibt.

Inzwischen hat sich das Verhältnis zwischen Frankreich und seinem langjährigen Schützling freilich ein wenig verkompliziert. Denn Omar Bongo kann nicht länger nur als Vasall betrachtet werden. Denn einerseits sitzt er, dank der großzügig geflossenen Korruptionsgelder – etwa von ELF Aquitaine – für sein Regime und dank des staatlichen Anteils an der Ölrente, auf dick gefüllten Kassen. Und diese öffnet er immer wieder auch für französische Wahlkämpfe und politische Parteien der Ex-Kolonialmacht. So finanzierte er lange Zeit den einst durch Jacques Chirac gegründeten RPR (der später in der seit 2002 bestehenden bürgerlich-konservativen Einheitspartei UMP aufging).

Dadurch und weil er als Vermittler bei zahlreichen Waffendeals und "schmutzigen Affären" - die der französische Staat nicht offen abwickeln konnte - diente, hat Omar Bongo aber auf der anderen Seite ein mächtiges Wissen angehäuft. Und dieses Wissen kann für so manchen französischen Politiker äußerst gefährlich werden, falls er es sich mit dem Präsidenten vom Äquator verscherzt.

Dessen Name fiel in den französischen Medien zum Jahreswechsel 2000/01 im Rahmen der so genannten Falcone-Affäre: Es war ruchbar geworden, dass Frankreich auf diversen Umwegen beide Kriegsparteien im damaligen Bürgerkrieg in Angola, die postsozialistische Regierung unter Eduardo dos Santos und die rechten UNITA-Rebellen unter Jonas Savimibi, gleichzeitig aufgerüstet hat. Gegen das ehemalige Präsidentensöhnchen Jean-Christophe Mitterrand – der zu Zeiten, als Vater François im Amt war, die "Afrikanische Zelle" im Elysée-Palast, das faktische Steuerungszentrum der Pariser Afrikapolitik, leitete – und den rechten Ex-Innenminister Charles Pasqua wurden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet (Das Verfahren gegen Pasqua soll seit März dieses Jahres übrigens endlich Fortschritte machen). Der gabunesische Präsident wurde als Mittelsmann bei dem Deal zitiert. Prompt reagierte dieser: Ein Passus seines Buches "Blanc comme nègre" ("Weiß wie Neger", eine ironische Abwandlung des Ausdrucks "blanc comme neige" für "schneeweiß"), das im Februar 2001 bei einem Pariser Verlag erschien, enthält eine drohende Andeutung. Omar Bongo gibt darin zu verstehen, er wisse genug, "um die (französische) Fünfte Republik zehn mal in die Luft gehen zu lassen".

Die versprochene Umwälzung fällt aus

Nicolas Sarkozy hatte im Vorjahr, anlässlich einer Kurzreise in die westafrikanischen Länder Mali und Bénin, eine "rupture" (einen Bruch), also eine radikale Veränderung in der französischen Afrikapolitik versprochen ([local] Nicolas Sarkozy und der Rechtsruck der französischen Politik). Zumindest verbal. Damals, im Mai 2006, versprach der seinerzeitige französische Innenminister, "ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen Frankreich und Afrika" aufzuschlagen, und bot eine "neue Partnerschaft" an. Er werde den allzu bekannten Praktiken der "Françafrique" – also jenes teilweise staatlichen, teilweise privaten Netzwerks, das auf mafiöse Art und Weise erhebliche Teile der afrikanischen Politik und Ökonomien kontrolliert – ein Ende setzen.

Allerdings stand der Minister zu dem Zeitpunkt in den Ländern, die er besuchte, auch unter hohem Rechtfertigungsdruck aufgrund des soeben von ihm vorgelegten und durch die Abgeordneten verabschiedeten, wesentlich verschärften Einwanderungsgesetzes. In Malis Hauptstadt Bamako fanden beeindruckende Demonstrationen gegen Sarkozys Besuch und seine Politik statt. Insofern war Sarkozy politisch geradezu genötigt, eine positiv klingende Ankündigung zu machen.

Ferner warf die Tatsache, dass auch damals schon Besuchspläne Sarkozys in Gabun bekannt wurden, einen dunklen Schatten über seine wohl klingenden Ankündigungen. Denn während Sarkozy in Mali und Bénin behauptete, er suche diese Länder deshalb auf, weil dort erfolgreiche Demokratisierungsprozesse durchgeführt worden seien – tatsächlich hatten sich die Bevölkerungen aus eigener Kraft von Diktaturen befreit -, widersprach die Absicht eines Staatsbesuchs in Gabun dieser Darstellung. Doch die linksliberale Pariser Tageszeitung ‚Libération' berichtete am 18. Mai 2006, letzterer Besuch sei deshalb nicht zustande gekommen, weil der "Chirac-Clan" in der französischen Politik sein Veto dagegen eingelegt habe: Er wollte Sarkozy mutmaßlich nicht an die Geldtruhe heranlassen.

2007 ist es soweit: Nicolas Sarkozy bändelt offen mit dem gabunesischen "Paten" an. Schon am 14. Januar dieses Jahres nahm Pascaline Bongo, die Tochter des Präsidenten, als offizieller Gast an Sarkozys "Thronkongress" – wie Kritiker den Nominierungsparteitag der UMP für ihren Spitzenkandidaten spöttisch nennen – in den Pariser Messehallen teil. Dies signalisierte eine klare Annäherung. Kurz vor dem entscheidenden Datum der französischen Präsidentschaftswahl traf dann Sarkozy, aber auch sein bürgerlicher Gegenkandidat François Bayrou jeweils mit dem Herrn Papa zusammen.

Omar Bongo war ferner der erste afrikanische Staatsgast, der sich schon am 25. Mai selbst zu Nicolas Sarkozy in den Elysée-Palast einlud, keine zwei Wochen nach dessen Amtseinführung. Nichts und niemand konnte ihn daran hindern. Die in Paris ansässige panafrikanische Zwei-Wochen-Zeitung [extern] Le Gri-Gri international schlagzeilte daraufhin auf ihrer Titelseite: "Françafrique: Sarkoy rompt déjà avec la rupture!" ("Sarkozy bricht bereits mit dem Bruch", d.h. er macht mit der Umwälzung Schluss, noch bevor sie begonnen hat). Und die Zeitung kolportiert in ihrer Ausgabe vom 7. Juni, die Berater Nicolas Sarkozy hätten daraufhin "in höchster Eile" - um nämlich einen desaströsen politischen Eindruck abzuwenden -, noch einen zweiten Staatsbesuch für denselben Tag arrangiert. Und so wurde, wenige Stunden vor dem Eintreffen Omar Bongos, auch noch die liberianische Präsidentin Ellen Sirleaf-Johnson empfangen, deren demokratisch einwandfreie Wahl im November 2005 (trotz ihrer wirtschaftliberalen Ausrichtung) tatsächlich einen Hoffnungsschimmer für ihr von Bürgerkriegen geschütteltes Land darstellte.

Es habe sich allerdings um einen "nahezu unwürdigen Besuch", bei dem es erheblich "an Aufmerksamkeit für sie gemangelt" habe, gehandelt. Die Präsidentin Sirleaf-Johnson habe sich auch nur deshalb für den eilends anberaumten Besuch gewinnen lassen, weil sie ohnehin auf dem Weg zu Tony Blair gewesen sei. Aus Sicht der Pariser Staatsspitze habe er auch lediglich dazu gedient, "die notwendig negativen Eindrücke der Ankunft von Mullah Omar" zu verwischen, so die französisch-afrikanische Zeitung. Über die eigentlich wichtigen Angelegenheiten wurde dann aber wohl eher mit Omar Bongo verhandelt. Laut der konservativen Tageszeitung ‚Le Figaro' vom vergangenen Wochenende hat der gabunesische Präsident dem Elysée-Palast zwischenzeitlich sogar noch einen zweiten Besuch abgestattet.

Sarkozy rechtfertigt sich mit der "Rolle des Ältesten"

Am vorigen Freitag nun lief Nicolas Sarkozy in Gabuns Hauptstadt Libreville ein. Diese Etappe seiner Afrikareise scheint zu den unumgänglichen Besuchszielen französischer Staatsoberhäupter zu gehören: Auch Jacques Chirac hatte wenige Wochen nach seiner Amtseinführung, im Juli 1995, die Republik Gabun aufgesucht.

Zumindest der -- Sarkozy spürbar unterstützende -- ‚Figaro' kolportiert allerdings, dem aktuellen französischen Präsidenten habe der Besuch bei dem alternden Omar Bongo persönlich nur geringes Vergnügen bereitet. Ihr Sondergesandter in Libreville behauptet sogar in den Spalten der konservativen Tageszeitung, Sarkozy habe einen Gesichtsausdruck sichtlichen Missmuts an den Tag gelegt. Diese Ausführungen können freilich, für das französische Publikum gedacht, vorrangig zum Herunterspielen einer höchsten problematischen Beziehung bestimmt sein. Eventuell trifft allerdings auch zu, dass Sarkozy "moderneren" Staatschefs den Vorzug gibt- die ebenfalls für die Wahrung französischer Interessen sorgen, deren Regimes jedoch größere Transparenz und einen besseren Umgang mit den Staatsfinanzen praktizieren, kurz den Kriterien der "good governance" eher genügen.

Tatsächlich verläuft zwischen den "Alten" und den "Modernen" unter den französischen Afrikapolitikern eine Bruchlinie: Erstere stören sich nicht an mafiösen Präsidialregimen, sofern sie nur "berechenbar" im Sinne der Pariser Interessen sind, während die Letztgenannten hingegen gern auch mal auf die Einhaltung wirtschaftliche Effizienzkriterien (wie sie durch Gläubiger und Kreditgeber angelegt werden) pochen.

Im Laufe seines Besuches annullierte Präsident Sarkozy 50 Millionen Euro von Gabuns Auslandsschulden, das sind 7 Prozent seiner Verbindlichkeiten gegenüber Frankreich. Unter der Auflage, die erlassenen Schulden in eine Unterstützung für Tropenwaldprojekte umzuwandeln, denn Sarkozy zeigte sich während seines Aufenthalts in Gabun darum bemüht, zumindest an der ökologischen Front Profil zu gewinnen. Per Hubschrauber lie? er sich zusammen mit Omar Bongo in den Regenwald transportieren, wo er verkündete: "Der Wald Gabuns kompensiert mehr als 400 Prozent des CO2-Aussto?es Frankreichs." Kurz zuvor hatte der Pariser Club – als Zusammenschluss der Gläubigerländer – auf 15 Prozent der Auslandsschulden im Gegenzug zur vorzeitigen Rückzahlung des Rests verzichtet. Die Republik Gabun schuldet westlichen Staaten und Banken nunmehr noch rund zwei Milliarden Euro. Ihr grö?ter Gläubiger, mit einem Anteil von 58 Prozent, ist dabei Frankreich.

Die liberale Pariser Abendzeitung Le Monde titelte dazu am vorigen Sonntag: "Afrikapolitik: Sarkozy hat Schwierigkeiten, seinen ‚Bruch' glaubhaft zu machen." Ihr Karikaturist zeichnete Sarkozy zusammen mit dem gabunesischen Autokraten, während im Hintergrund der libysche Obest Kaddafi - mit einem Geldsack sowie einem Miniatur-Atomkraftwerk ausgestattet – glücklich lächelt.

Das französische Staatsoberhaupt rechtfertigte sich Ende damit, dass "der Älteste in Afrika respektiert werden muss". Omar Bongo sei nun einmal das dienstälteste Staatsoberhaupt auf dem Kontinent. Gewissermaßen praktiziere er also nur lokale Werte. Ferner berief er sich darauf, dass "Gabun seit 1967 ein privilegierter Partner Frankreichs" und "ein historischer Freund und Verbündeter" sei. Sarkozy weigerte sich auf Nachfragen von Journalisten hin, ein Werturteil über die vierzigjährige Herrschaft von Präsident Omar Bongo abzugeben. Er begnügte sich mit den Worten: "Ich sage nicht, dass dies erträglich ist. Ich sage, dass es (nun mal) eine Realität ist."

Zuvor hatte er dem gabunesischen Regime zugute gehalten, dass es seit vierzig Jahren keinen Putsch oder Staatsstreich im Land gegeben habe. In einer Ansprache vor den Abgeordneten des Parlaments in Libreville forderte Sarkozy freilich seinen (anwesenden) Amtskollegen dazu auf, die Unabhängigkeit der Justiz und die Einhaltung der individuellen Grundrechte zu gewährleisten.

Besonders viel Gehör dürfte Sarkozy mit diesen Rechtfertigungsversuchen aber, bei den afrikanischen Bevölkerungen wie bei seinen Kritikern in Frankreich, nicht gefunden haben. Zumal bereits seine Rede von Dakar, wo er sich einen Tag früher aufhielt, zu diesem Zeitpunkt ziemlich viel Staub aufgewirbelt hatte.

Die Rede von Dakar

In der senegalesischen Hauptstadt hielt Sarkozy am vorigen Donnerstag eine Rede, die ursprünglich eine "historische" Ansprache mit programmatischem Manifest-Charakter hätte werden sollen. `

Verfasst hatte sie Nicolas Sarkozys Redenschreiber Henri Guaino, ein traditionell orientierter Gaullist, der sich in seinen Schriften stark auf historische Werte wie den französischen Patriotismus, die Republik und die Nation bezieht. Der damalige Präsidentschaftskandidat Sarkozy hatte den früheren Gegner des Maastrichter Vertrags und EU-Skeptiker Guaino im Dezember 2006 als Redenschreiber einzuspannen begonnen. Doch in seiner Umgebung wurde Guaino, der Sarkozys "modern"-wirtschaftsliberalen Beratern ein Dorn im Auge blieb, lange Zeit abgeblockt. Seit Anfang dieses Jahres wurde Guaino jedoch zum bevorzugten Autor für Nicolas Sarkozys Reden befördert. Denn der 50jährige verstand es am besten, unter Anrufung der Geschichte, historischer Werte und sozialer Ansprüche ein idealistisches Bild von den Vorstellungen und Wünschen, den gesellschaftlichen Leitbildern des Kandidaten Sarkozy zu zeichnen. Deswegen wurde der bisherige Redenschreiber Emmanuelle Mignon, eine wirtschaftsliberale Technokratin, deren Texte als andere als Charme versprühten, herabgestuft und durch Guiano ausgetauscht.

In Le Monde vom 10. Februar dieses Jahres stellte der konservative Senator Gérard Longuet dazu fest: "In der Sache hat Emmanuelle Mignon Recht, die vor allem Steuersenkungen fordert. Aber in der Form hat Guaino Recht. Er ist sehr viel lyrischer, als ein ENA-Absolvent (Anm.: ein Zögling der Verwaltungshochschule ENA, wie Emannuelle Mignon) je wird sein können." Das bedeutete so viel wie: Guiano hat in der Sache nichts zu bestellen, aber für die Verpackung ist er gut, dank seiner Lyrik und seines Pathos.

Viel geschichtliches Pathos wollte Henri Guaino also auch in seine Rede von Dakar, die Präsident Nicolas Sarkozy an der Universität Cheikh Anta Diop – benannt nach dem gro?en senegalesischen Anthropologen und Historiker Schwarzafrikas, der 1986 starb – halten würde, hineinlegen. Wahrscheinlich zu viel. Nach Informationen des Canard enchaîné wurde die Rede jedenfalls erst zwei Stunden vor Sarkozys Termin fertig. Alle Journalistinnen und Journalisten, die sie vor dem Vortrag zu lesen bekamen, hätten den Tonfall "paternalistisch", die Rede zu geschichtslastig und die Stoßrichtung bedenklich gefunden. "Wer die Geschichte nicht kennt, schreibt keine guten Reden" haben Guiano darauf geantwortet, und dass man von dieser von ihm verfassten Rede – anders als von denen des Ex-Präsidenten Jacques Chirac – "noch in zehn Jahren" sprechen werde. Was Le Canard enchaîné erheblich anzweifelt.

Aufgrund des Zeitmangels habe Nicolas Sarkozy gerade noch Zeit gehabt, einige oberflächliche Abänderungen an dem Redetext vorzunehmen. Die auffälligste Änderung dabei war, dass Sarkozy das "Du", in dem er sich an einen fiktiven "Jeune d'Afrique" (Jugendlichen oder jungen Mann aus Afrika) als Repräsentanten seines Kontinents wenden sollte, in der gesprochenen Version den ganzen Redetext entlang durch "Vous" ersetzte. Also durch das französische Wort, das sowohl zum Siezen als auch für das "Ihr" des Plural, wenn man sich an mehrere Personen richtet, benutzt wird. Höchstwahrscheinlich wäre der Vorwurf des Paternalismus noch stärker ausgefallen, hätte der französische Präsident sich tatsächlich ständig per Du an die Jugend Afrikas gewandt. Nicht unplausibel auch, dass viele Afrikaner sich an das aggressive Duzen erinnert gefühlt hätten, das die französische Polizei ihnen gegenüber oft systematisch praktiziert...


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