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Eurozentrismus, Rassismus oder die Plage der "weissen Völker" - Erinnerungen an Fritz Sitte (1924 – 2007)

Eurozentrismus, Rassismus oder die Plage der "weissen Völker" - Erinnerungen an Fritz Sitte (1924 – 2007)*

von Gerhard Payr (Österreich)

Eine Ergänzung zu den ehrenden Nachrufen anlässlich des Ablebens von Fritz Sitte in der Kleinen Zeitung, im Villacher Mitteilungsblatt und in anderen Medien.

Wer war Fritz Sitte? Laut Styria Verlag, in dem seine 24 Bücher veröffentlicht wurden, war er „einer der letzten Politjournalisten“, der mit seinen wagemutigen Reisen in die Krisengebiete unseres Planeten es vermochte den Daheimgebliebenen authentisch die Ursachen für die Konflikte in der Dritten Welt zu erklären. Styria Verlag, Kleine Zeitung, und viele Anhänger – vor allem in Kärnten – haben ihm bis heute die Treue gehalten. Rezensionen außerhalb von Kärnten haben seine Arbeiten hingegen häufig „rassistisch“ und „demagogisch“ genannt. 1988 erhält Sitte trotz massiver Proteste entwicklungspolitischer Organisationen den Kulturpreis der Stadt Villach, Bundespräsident Kirchschläger hält die Laudatio. Nur sechs Aufrechte im Gemeinderat hatten gegen die Verleihung gestimmt. Später wird Fritz Sitte noch der Professorentitel verliehen, er erhält den Dr. Karl Renner Preis und das Große Ehrenzeichen des Landes Kärnten. An seinem Grab erweisen ihm u.a. LH Haider, Vizebgm. Richard Pfeiler, Reinhold Dottolo und Heinz Stritzl die letzte Ehre.

Fritz Sitte hat glaubhaft immer seinen persönlichen Überzeugungen entsprechend geschrieben und hat sich bei seinen Reisen in Krisengebiete mitunter nicht unbeträchtlichen Risiken ausgesetzt. Er hat seine subjektiven Wahrnehmungen und politischen Interpretationen 1:1 in seine Bücher übertragen und sich über die Beschreibung seiner oft haarsträubenden Erlebnisse in Gefahrenherden den Ruf eines „Abenteurers“ erworben. Dies war dem Absatz seiner Bücher sicherlich nicht abträglich. Sitte ist jedoch kläglich daran gescheitert eine profunde Analyse der den Konflikten in der Dritten Welt zugrunde liegenden Hintergründe und Zusammenhänge abzugeben. Darüber hinaus hat er sich jegliche entwicklungspolitische Kritik verbeten. Dem stand sein fest gefügtes auf Europa zentriertes Weltbild entgegen, das die Schuld am Elend der Dritten Welt zuallererst den korrupten und unfähigen Eliten, der Überbevölkerung, der mangelhaften Leistungs-fähigkeit und den ungenügenden Kulturleistungen der Menschen im Süden zuweist. Die nachfolgenden makabren Zitate aus Elaboraten von Fritz Sitte sind zweifellos entlarvend:

1) „…es geht nicht an, dass eine Hälfte der Welt arbeitet und produziert und damit die andere Hälfte der Menschheit durchfüttert“ (Dilemma der Dritten Welt, Kl. Ztg. Vom 19.10.1986).

2) „…….unbestrittene Tatsache, noch nie hat ein Afrikaner vor allen Kolonialepochen je Afrika verlassen um andere Länder zu entdecken, und kein einziger Afrikaner ist bekannt, der je eine halbwegs wesentliche Erfindung oder Entdeckung vollbracht hat“. (Leserbrief von F.Sitte, Kl. Ztg.1.11.1986)

3) „ warum ist es weder den Schwarzafrikanern noch den Rothäuten niemals eingefallen, zu merken, die Erde sei rund und könne „entdeckt“ und besiedelt werden. Nein, das taten ausschließlich die Europäer." (aus „Schicksalsfrage Namibia“ Styria Verlag)
4) „…alles verkommt schon nach kürzester Zeit, sobald die Weißen abgezogen sind und die Schwarzen die Alleinverantwortung übernommen haben“ (ebenda)

ÖIE, Bündnis für eine Welt und viele befreundete Institutionen wie auch zahlreiche Einzelpersonen haben sich in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit immer vehement gegen solche Aussagen und die oft unerträglichen und beleidigenden Vereinfachungen gewehrt. Nicht weil wir glauben alle Antworten und Lösungen zu Unterentwicklung, Hunger und Krieg zu kennen, sondern weil wir meinen, dass Sitte’s zynische Weltbilder und Wertungen dank Styria Verlag und Kleine Zeitung gerade in Kärnten weit verbreitete Vorurteile und Grundhaltungen bedienen und damit latente rassistische, eurozentristische, unsoziale und undemokratische Tendenzen bestärken. Wie sich dies mit den Grundsätzen von Unabhängigkeit und Demokratie auf dem Boden christlicher Weltanschauung auf die sich Kleine Zeitung und Styria Verlag so gerne berufen verträgt, sei dahingestellt.

Fritz Sitte hat seine letzte Reise angetreten, seine Bücher dürften heute kaum mehr groß nachgefragt werden. Doch der Schaden ist längst angerichtet und wirkt weiter fort. Mit der neoliberalen Globalisierung und dem Triumph eines immer schrankenloseren Kapitalismus haben Unterdrückung, Ausbeutung, Verelendung und Entsolidarisierung sich vervielfacht und den Terror der „Verdammten dieser Erde“ (Franz Fanon) provoziert. Eine gerechte Welt ist entfernter denn je. Fritz Sitte hat seinen Beitrag dazu geleistet.

2007-01-26

*Originaltitel von uns geändert: Bois-Caiman-Redaktion