Die afrikanischen Wurzeln von Alexander Puschkin
von Beate Hammond
Vor 208 Jahren wurde der russische Nationaldichter Alexander Sergejewitsch Puschkin in der deutschen Vorstadt von Moskau geboren. Eine historische Retrospektive der Autorin Beate Hammond.
Am 6. Juni 1799, also vor etwa genau 208 Jahren, wurde der russische Nationaldichter Alexander Sergejewitsch Puschkin in der deutschen Vorstadt von Moskau geboren. Die Familie trägt einen großen Namen. Väterlicherseits kann Puschkin auf eine 600 Jahre alte Geschichte zurückblicken, besonders zur Zeit Iwan des Schrecklichen (1530-1584) spielte das Geschlecht eine große Rolle. Größere Aufmerksamkeit schenken Biographen jedoch der Vorfahren auf der Seite seiner Mutter, denn der Großvater Natalia Ossipowna Puschkins war Ibrahim Petrovich Hannibal (1696-1781), der im Kindesalter in Abessinien (heute Äthiopien) geraubt und an den Hof des Zaren Peter IV. gebracht wurde. Puschkins Mutter, auch als „la belle creole“ (die schöne Kreolin) bekannt, war von ihrem Sohn allerdings weniger begeistert. Sie soll den Sohn als hässlich empfunden haben: zu dunkel war seine Haut, zu flach seine Nase. Sie zog seine Geschwister Olga und Lev vor.
Sergei Lwowitsch Puschkin ist, wie viele Aristokraten des 19. Jahrhunderts, Liebhaber französischer Literatur, und seine Kinder sprechen Französisch ebenso gut wie Russisch. Das literarische Talent Alexanders zeigt sich besonders in der Schule, dem elitären Lyzeum Zarkoje Selo in Petersburg. Die Epigramme und Satiren des jungen Puschkins zieren die Seiten des Schuljahrbuchs, und im Jahre 1814 wird in einer renommierten Zeitschrift ein erstes Gedicht von ihm veröffentlicht.
Nach der Schule tritt Puschkin im September 1817 in den Staatsdienst (Ministerium für auswärtige Angelegenheiten) ein. Der Posten lässt ihm genügend Freiraum für andere Aktivitäten, die, wie für die meisten Männer seines Standes, sich mit den Worten Wein, Weib und Spiel zusammenfassen lassen. Seine Herkunft interessiert ihn- er entdeckt die preußischen Wurzeln seiner Urgrossmutter Christine von Schoeberg, der Frau Hannibals und trifft sich mit seinem Großonkel Peter, dem letzten überlebenden Sohn des bekannten afrikanischen Vorfahrens. Dieser übergibt ihm biographische Aufzeichnungen und eine Familiengeschichte, die Puschkin als Grundlage für einen historischen Roman dienen sollen. Hauptsächlich schreibt Puschkin aber Gedichte über die Freiheit in allen Ausprägungen, gegen Leibeigenschaft und satirische Verse, die weit verbreitet werden. Seine Lyrik erregt die Aufmerksamkeit der Behörden, und Puschkin wird zum Generalgouverneur von Petersburg zitiert. Sein Charme rettet ihn vor der Verbannung, er wird aber weit weg von Petersburg ins südliche Russland versetzt. Puschkin verlässt Petersburg auf der Höhe seines ersten Ruhms, denn inzwischen war ihm mit Ruslan und Ludmilla, bis heute ein Klassiker der russischen Literatur gelungen. Im Exil träumt er von Afrika wie einem mystischen Paradies: „Bloß fort von diesem öden Strand“, heißt es da, „mir Feind gewordener Elemente/auf dass ich, froh des Südens, nah/ dem Himmel meines Afrika/ von Russlands Nebeln träumen.“ (Übersetzung: Theodor Commichau)
Der Höhepunkt Puschkins Schaffens fällt in die Zeit seiner Verlobung und Heirat mit Natalia Gontscharowa, einer Schönheit aus armen Verhältnissen. Vor der Geburt seines ersten Kindes beginnt er mit den Arbeiten an einem historischen Roman über seinen Urgrossvater Hannibal. Einige Passagen geben Aufschluss über den Rassismus Zeit geben. Warum, lässt er die Figur seines Urgrossvaters zu seiner Geliebten sagen, wählst du eine arme Kreatur wie mich, die Leute kaum als Menschen verstehen? Auch seine eigene Attraktivität schätzte Puschkin nicht gerade hoch ein- man möge bitte keine Gipsbüste von ihm abnehmen, schreibt er in einem Brief an seine Frau, um seine „arabische Missgestalt“ nicht der Ewigkeit zu überliefern.
Als das Ehepaar Puschkin 1834 den schneidigen George d´Anthes kennen lernt, nimmt das Unglück seinen Lauf. Natalia und d´Anthes beginnen sich regelmäßig zu treffen, und schon bald tuscheln die Leute. Puschkin erhält einen anonymen Schmähbrief und fordert d´Anthes zum Duell, das durch eine Blitzheirat d`Anthes mit Natalias Schwester verhindert werden kann. Doch die Ehe stoppt weder die Treffen noch die Gerüchte und als Puschkin in einem weiteren Brief als gehörnter Ehemann bezeichnet wird, kommt es in den Morgenstunden des 27. Januar 1837 zum Duell, bei dem Puschkin getroffen wird. Er stirbt nach zwei qualvollen Tagen.
Der überraschende Tod des Dichters löst in der Gesellschaft Aufruhr aus, und es kommt zu spontanen Demonstrationen, die den Autoritäten nicht behagen. Wieder einmal steht der Name Puschkin für gefährlichen Ideen und Aufruhr. Daher wird die groß angelegte Trauerfeier in letzter Minute von der Kathedrale in eine kleine Kirche verlegt, und sein Sarg wird über Nacht aus Petersburg fortgeschafft. Doch dies hielt seinen Siegeszug letztendlich nicht auf. Puschkin ist der Nationaldichter schlechthin, der Inbegriff russischen Literatur, der Goethe des Ostens, wie Thomas Mann ihn einmal nannte. Russische Komponisten wie Mussorgski, Tschaikowsky und Rimski-Korsakow vertonen viele seiner Werke, beispielsweise Eugen Onegin, Pique Dame, Boris Gudunow, Das Märchen vom Zaren Saltan, und setzen ihm so ein zusätzliches Denkmal.
Literatur
Werke Puschkins (nicht vollständig...)
- Pique Dame, Reclam, 1986, 3 €
- Gedichte, Reclam, 1998, 4.60 €
- Eugen Onegin.Ein Roman in Versen, Reclam, 1972, 7.60€
Über Puschkin
- Rolf-Dietrich Keil, Alexander Puschkin. Ein Dichterleben, Insel (bei amazon.de ab 15€)
- Gudrun Ziegler, Alexander S. Puschkin, rowohlt, 2001
Über Puschkins Urgrossvater, Ibrahim Hannibal
- Dieudonné Gnammankou, L’aieul noir de Pouchkine, Editions Hurtubise, 2003
- Hugh Barnes, The stolen prince, Ecco, 2006
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