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Nigeria / Côte d´Ivoire: Unruhige Vorwahlzeiten

Nigeria / Côte d´Ivoire: Unruhige Vorwahlzeiten

In Nigeria wird demnächst über den Präsidenten abgestimmt. Amtsinhaber Jonathan blickt nach Côte d’Ivoire und betätigt sich als Vorhut für Frankreichs Kriegspläne

von Raoul Wilsterer

Noch zur Jahreswende waren Goodluck Jonathan, Nigerias Übergangspräsident, sowie Teile der Führung seiner Partei PDP (People’s Democratic Party) international nicht gern gesehen. Ihr Image litt unter Korruptionsverdacht, der von der nigerianischen Strafverfolgungsbehörde EFCC (Kommission für Wirtschafts- und Finanzkriminalität) angeprangert wurde. Ein offizielles Kandidaturverbot für über 50 Personen zu den Wahlen 2011 stand bevor. Das betraf indirekt auch den heute 53jährigen Jonathan, gegen dessen Ehefrau Pa­tience Faka Jonathan EFCC-Ermittlungen liefen – stellvertretend sozusagen.

Das war damals. Am kommenden Samstag nun beginnt der nigerianische »Wahlmarathon« (ntv) aus drei Abstimmungen – zunächst zum Parlament, dann eine Woche darauf zur Präsidentschaft und schließlich am 16. April über die Gouverneursposten der 36 Provinzen. 70 der insgesamt 130 Millionen Einwohner des größten Landes am Golf von Guinea sind stimmberechtigt – und der amtierende Präsident und seine Leute liegen durchweg gut im Rennen. Dabei werden die korrupten Eliten weiterhin vom Westen gestützt. Das geschieht trotz schwelender Unruheherde einerseits an der Grenzlinie zwischen dem muslimisch geprägten Norden und dem eher christlich-anämistischen Süden, andererseits im verarmten, ölreichen Nigerdelta. Zuvorderst die USA als Hauptabnehmer des schwarzen Goldes stehen zu Jonathan. Und der erweist ihnen seinerseits die Ehre.

Das gilt brandaktuell für die Haltung Nigerias als des gewichtigsten der 15 Mitglieder der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS in Sachen Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste). Seit dem erneuten Ausbruch der seit bald zehn Jahren anhaltenden ivorischen Krise im Zuge der von Gewalt und Manipulationen geprägten Wahlen Ende November 2010 betätigt sich – unter anderen – Jonathan als Vorreiter für ein militärisches Eingreifen. Im Rahmen der Afrikanischen Union prägte ECOWAS maßgeblich deren schnelle Entscheidung, sich frühzeitig und ungeprüft an die Seite von Alassane Ouattara zu stellen – des vom Westen und von den Rebellen der Forces Nouvelles, aber insbesondere auch vom Internationalen Währungsfonds sowie der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich gesponserten Präsidentschaftskandidaten.

Zuletzt trat Jonathan Ende vergangener Woche als Gastgeber für ein ECOWAS-Treffen in Nigerias Hauptstadt Abuja in Erscheinung, wo er ein »stärkeres« Mandat der UNO verlangte. Das betrifft nicht nur die Ausdehnung des derzeitigen Blauhelmkontingents von über 10000 Bewaffneten und deren Befugnisse. Auch spielt Jonathan weiter mit der Möglichkeit einer militärischen Intervention. Für diese sei allerdings eine Legitimierung durch den UN-Sicherheitsrat Voraussetzung. Mit seiner Position befindet sich Comonwealth-Mitglied Nigeria in Übereinstimmung mit Frankreichs in jüngster Zeit kriegslüsternem Präsidenten Nicolas Sarkozy und fungiert als eine Art propagandistische Vorhut.

Jonathan, nach turbulenten Auseinandersetzungen um seinen erkrankten, später verstorbenen Vorgänger Umaru Yar’Adua seit Februar 2010 per Parlamentsbeschluß »Staatsoberhaupt übergangsweise«, hat sich inzwischen etabliert. Er kennt seine Freunde auf internationalem Parkett und unterscheidet sich diesbezüglich nicht wesentlich von der bisherigen Herrschaft, unter der Cliquenwirtschaft und Korruption bereits zu Zeiten der globalen Bipolaritität zu Selbstverständlichkeiten wurden. Allerdings nahmen nach 1990 die innenpolitischen Kontroversen sowohl auf ethnischer – Nigeria ist ein Vielvölkerstaat – wie sozialer Ebene zu. Besonders das Nigerdelta als Armutsbrennpunkt wird in steter Unterentwicklung gehalten. Die durchschnittliche Lebenserwartung dort liegt bei 41 Jahren, während die Gewinne der internationalen Ölindustrie astronomische Werte erreichen. Diese und andere ausländische Plünderer mußten ebenso wie die Staatsführer in Abuja um ihre Beuten fürchten.

Auch in den vergangenen Wochen wieder kam es in der zentralnigerianischen Provinzhauptstadt Jos zu Kämpfen, während im gesamten Nigerdelta bewaffnete Widerstandsgruppen mehr oder weniger offen auftreten. Die »Furcht vor Eskalation der Gewalt« (ntv, 28.3.) im Land wächst. Jonathan setzt auf das Militär. Das gilt nicht nur für Nigeria.

31.03.2011

Quelle