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Haschischkonsum durchlöchert das Gedächtnis

Haschischkonsum durchlöchert das Gedächtnis

Auch unter Jugendlichen ist der Konsum von Cannabis weit verbreitet. Wenn die Droge das Arbeitsgedächtnis beeinflusst, leiden die schulischen Leistungen.
Forscher haben erstmals die Nebenwirkungen von Cannabis entschlüsselt: Die Droge hilft zwar vielen Kranken – doch das Arbeitsgedächtnis leidet.

Drogenkonsum in Europa: Cannabis konsumieren im Laufe eines Jahres statistisch gesehen 12,6 Prozent der jungen Erwachsenen, Kokain nehmen 2,3 Prozent. Im Vergleich europäischer Länder liegt Deutschland im Mittelfeld
Cannabis ist nicht nur als Droge sehr begehrt, sondern wird auch seit Jahrtausenden als Medizin vielseitig geschätzt. Es lindert Schmerzen, bekämpft die Nebenwirkungen einer Chemotherapie bei Krebs und hat sich auch in der Therapie von Aids-Patienten bewehrt.

Zudem hemmen Medikamente auf Cannabisbasis oder künstlich erzeugte Cannabinoide unter anderem Spastiken bei Multiple-Sklerose-Patienten und regen den Appetit von Magersüchtigen an. Doch es gibt einen großen Nachteil. Der berauschende Cannabiswirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) beeinträchtigt das Arbeitsgedächtnis.

Das Arbeitsgedächtnis ist Teil unseres Erinnerungsvermögens. Es ist für die vorübergehende Speicherung und Verarbeitung von Informationen verantwortlich. Dank ihm können wir uns über einen begrenzten Zeitraum zum Beispiel Telefonnummern oder eine Einkaufsliste merken.

Und nach dem Einkauf suchen wir in der Regel nicht verzweifelt nach unserem Auto, sondern wissen noch, wo wir es geparkt haben. Sobald wir dieses Wissen nicht mehr brauchen, vergessen wir es und machen Platz für Neues.

Ein internationales Forscherteam hat jetzt entschlüsselt, wie sich Marihuana genau auf das Arbeitsgedächtnis auswirkt. Das Ergebnis ist ziemlich überraschend: THC, die psychoaktive Substanz in Marihuana, beeinträchtigt das Gedächtnis unabhängig von seiner direkten Wirkung auf die Neuronen. Die Nebenwirkungen entstehen tatsächlich durch den Einfluss der Droge auf jene Zellen, die bisher nur als Ernährer und Unterstützer der Neuronen bekannt waren – die Astrozyten.

„Wir haben jetzt den ersten Beweis erbracht, dass Astrozyten das Arbeitsgedächtnis direkt beeinflussen“, sagt Xia Zhang, Neurowissenschaftler an der kanadischen Universität Ottawa.

„Dass die unterstützenden Zellen in Wirklichkeit eine führende Rolle einnehmen, ist die größte Entdeckung unserer Forschung. Das ist einfach unglaublich“, freut sich Zhang. Ob die lange unterschätzten Astrozyten auch in anderen Bereichen des Gedächtnisses eine Rolle spielen, muss noch untersucht werden.

Doch wie sind die Wissenschaftler den Astrozyten auf die Schliche gekommen? Sie haben Ratten und Mäuse bei verschiedenen Aufgaben beobachtet: Nüchtern und auf Droge. Einer dieser Tests war das sogenannte Morris-Wasserlabyrinth. Bei diesem Versuch wurden die Nager in ein Becken mit trübem Wasser gesetzt und mussten eine unterhalb der Wasseroberfläche befindliche Plattform aufspüren.

Beim zweiten Anlauf fanden sie die Plattform schon viel schneller, weil sie sich in ihrem Arbeitsgedächtnis die räumliche Position gemerkt hatten. War den Tieren allerdings zuvor eine Dosis THC verabreicht worden, brauchten sie länger, um die Plattform wiederzufinden. Die Droge hatte ganz offensichtlich ihr Gedächtnis deutlich getrübt.

Nicht so bei Mäusen, denen ein spezieller Rezeptor namensCB1R auf der Zellmembran der Astrozyten fehlte. Sie waren gegen die negativen Effekte auf das Gedächtnis immun. Fehlte stattdessen der CB1R-Rezeptor auf den Neuronen, litten die Tiere immer noch unter den typischen Gedächtnisproblemen.

„Die Studie zeigt, dass einer der typischen Effekte des Marihuanarausches durch die Aktivierung des CB1R Rezeptors der Astrozyten verursacht wird“, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Cell“.

Da Neuronen einen anderen CB1R-Rezeptor besitzen als Astrozyten, könnte es eventuell einen Weg geben, die Rezeptoren auf den Neuronen zu aktivieren und gleichzeitig jene auf den Astrozyten auszuknipsen. Würde dies gelingen, könnte man die Vorteile der Cannabispflanze zur Linderung diverser Krankheiten nutzen, ohne dabei das Arbeitsgedächtnis zu beschädigen.

Das ist noch nicht alles. Die Erkenntnisse der Forscher könnten auch für Krankheiten wie Alzheimer von großer Bedeutung sein. Denn auch bei Alzheimer wird das Arbeitsgedächtnis Schritt für Schritt beschädigt. Betroffene verlegen ihre Schlüssel, finden nicht mehr nach Hause und wiederholen sich in Unterhaltungen.

Xia Zhangs Vision lautet deshalb: „Mein nächstes Ziel ist herauszufinden, ob die gleichen Mechanismen, durch die Marihuana das Arbeitsgedächtnis beeinträchtig auf die Alzheimerkrankheit übertragen werden können.“

02.03.2012

- welt.de