von Nadine Hauer
Als stärkste "Waffe" gegen den Rassismus gilt die Aufklärung. Sofern damit "Rationalität" gemeint ist, mag das ja stimmen, sonst aber scheinen wir einer Illusion erlegen zu sein. Tatsache ist nämlich, daß es gerade die Aufklärer waren, die die Menschenrassen erfunden haben. Mit der Erfindung - nicht Entdeckung - der weißen, roten, gelben und schwarzen Menschen"rasse" begründete die Aufklärung den wissenschaftlichen Rassismus und bezog dabei auch die Zigeuner mit ein.
Noch 1735 beschreibt der schwedische Naturforscher Carl von Linné den Europäer als albescens = weißwerdend, den Amerikaner als rubescens = rotwerdend und den Asiaten als fuscus = dunkelbräunlich bis schwärzlich.
Nur 30 Jahre später, 1767, macht Linné die Hautfarbe zur entscheidenden Grundlage für die verschiedenen Arten von Menschen und unterscheidet nun den homo europaeus albus - den weißen Europäer -, den homo americanus rufus - den roten Amerikaner -, den homo asiaticus luridus - den blaßgelben Asiaten -, und den homo africanus - den schwarzen Afrikaner.
Die große Änderung war nicht das Ergebnis naturwissenschaftlicher Forschung, sondern eine naturwissenschaftliche Gedankenkonstruktion als Erklärung für die angebliche Überlegenheit der Weißen. Um soziale Unterschiede plausibel zu machen, bekommt die soziale Haut Farbe.
Indianer wurden rot
Als Christoph Kolumbus auf die amerikanischen Ureinwohner stieß, beschrieb er sie zwar regional unterschiedlich, aber in Schattierungen von weiß, hell oder weder schwarz noch weiß. Spätere Entdecker des 16. Jahrhunderts sprechen von schwarzen, bronzenen, goldgelben und weißen Indianern.
Den mehr oder weniger sonnengebräunten europäischen Seefahrern erscheint die Hautfarbe der Indianer der ihren ähnlich, also weiß bis braun. Carl von Linné bezeichnete die Indianer jedoch als rot, seither gelten die Indianer als "Rothäute". Die Erklärung für ihre rote Gesichtsfarbe hatte ein Zeitgenosse Linné's gefunden: "Die Haut dieser Völker ist stark rötlich. Allerdings entsteht die rote Hautfarbe . . . auf künstliche Art, denn diese Barbaren bemalen sich täglich mit dem Farbstoff des Orleansbaumes, dessen sie sich anstelle von Zinnober bedienen; dadurch erscheinen sie blutrot."
Auch die Chinesen waren nicht immer gelb. Die umfangreiche europäische Reiseliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts belegt, daß die Chinesen keineswegs als gelb bezeichnet wurden. Von einem "weißhäutigen Volk", welches den "Deutschen ähnelt"; von Menschen "del color de alemanes, italianos y españoles", sogar als "very white" werden sie beschrieben. Im 18. Jahrhundert werden die Chinesen gelb. Während sie Linné zu Beginn noch als blaßgelb bezeichnet, werden sie bei Johann Friedrich Blumenbach schließlich weizengelb, vergleichbar mit getrockneter Zitronenschale. Und mit dem im ausgehenden 19. Jahrhundert wird die "gelbe Gefahr" zum geläufigen Schlagwort. Wie bei den Indianern, werden Beobachtungen aus der Lebenswelt der Chinesen zur Hautfarbe: für Chinesen symbolisiert Gelb das Reich der Mitte, strahlendes Gelb ist die Farbe ihrer Herrscher.
Die alten Ägypter, die mit Fremden keineswegs freundlich umgingen, bezeichneten die Nubier und andere Afrikaner gleichermaßen als Südländer. Vorurteile aufgrund unterschiedlicher Farbtönungen sind nicht feststellbar. Die alten Griechen sprachen von Barbaren, aus ihrer Sprache stammt der Begriff Xenophobie. Platon erklärte zur Legitimierung sozialer Ungleichheit, daß den durch Herkunft und Erziehung in unterschiedlichen Situationen befindlichen Menschen eingeredet werden müsse, sie wären von Natur aus verschieden. Von Hautfarben sprach die griechische Antike nicht, obwohl sie Schwarze kannten; im Gegenteil: den Äthiopiern gewährten sie wegen ihrer den Göttern wohlgefälligen Frömmigkeit für alle Zeit ein Leben in Freiheit und Frieden.
Die sozial deklassierten gesellschaftlichen Gruppen der Antike, vor allem die Sklaven, waren in der Regel hellhäutig. Daher bezeichnete Aristoteles die Sklaven als jene, die "an Vernunft nur so weit teilhaben, um ihre Gebote zu verstehen, ohne sie zu besitzen".
Erst nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken werden die Wege für den europäischen Sklavenhandel durchbrochen, erst jetzt holt man sich Sklaven aus Afrika; ungefähr 15 Millionen Afrikaner werden nach Amerika verschleppt. Nun entstehen aus den geachteten Nubiern des alten Ägypten und den wohlgefälligen Äthiopiern der Antike die Schwarzen der Neuzeit, deren unterschiedlichste Farbtönungen ignoriert werden.
Der Aufklärer David Hume stellte in seinem Essay über nationale Besonderheiten fest: "Ich bin geneigt zu glauben, daß die Neger und überhaupt alle sonstigen Arten von Menschen . . . von Natur aus minderwertiger als die Weißen sind . . . Selbst wenn wir von unseren Kolonien absehen, gibt es über ganz Europa verstreut Negersklaven, von denen niemals einer auch nur ein Anzeichnen von Klugheit offenbart hätte." Diese Gedanken unterscheiden sich nicht von den rassistischen Überlegungen von Aristoteles und Plato, neu ist die Verknüpfung mit der Hautfarbe.
Kant als Rassist
Auch der prominenteste deutsche Aufklärer, Immanuel Kant, Idol des Philosphieunterrichts an Schulen und Universitäten, entpuppt sich als rabiater Rassist, dessen einschlägige Schriften hartnäckig verschwiegen werden. Auch er vertritt die Ansicht, nur die weiße Rasse sei in der Lage, den Prozeß der Zivilisation dauerhaft zu befördern; dabei mißt er der Arbeit einen großen Stellenwert bei. Die Indianer, eine "Rasse, zu schwach für schwere Arbeit, zu gleichgültig für emsige, unfähig zu aller Kultur", stünden "noch tief unter dem Neger", der allerdings selbst "faul, weichlich und tändelnd" sei.
Von den schon aus Tradition arbeitsscheuen und müßiggehenden Zigeunern meint er, sie wären lediglich "Umtreiber", und es sei keine Frage, es bei ihnen mit einer Rasse zu tun zu haben, dafür stehe schon ihre "indische Hautfarbe" oder "wahre Zigeunerfarbe". ("Von den verschiedenen Rassen der Menschen", "Ideen zu einer allgemeinen Geschichte", "Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie", "Reflexionen zur Anthropologie"). Zum offensichtlichen Politikum wurde die Diskriminierung der Zigeuner durch die Romantik. An die Stelle der Revolution der unteren Klassen setzte sie die Rebellion der Zigeuner, also die rassistische Bändigung der Sozialkritik.
Am deutlichsten zeigt sich dies etwa in Prosper Merimées "Carmen", die, anders als die Oper von Georges Bizet, die Revolte zwischen den Revolutionsjahren 1830 und 1848 in Frankreich als falsch verstandene Freiheit denunziert: Freiheit, die nicht kommandiert werden, sich nicht fügen will, den bürgerlichen Rahmen von äußerer Ordnung und Selbstbeherrschung nicht akzeptiert, ist keine bürgerliche Tugend, sondern die wilde Zügellosigkeit einer fremden (Zigeuner)Rasse.
NS-Forscher erfanden schließlich den "weißen Zigeuner" als Ausdruck für jene "Asozialen", die sich der festgefügten Ordnung entziehen. Und die Gegenwart zeigt, daß die diskriminierenden Rassentraditionen ungebrochen und die ethnisch-rassistisch-sozialen Fehlurteile über Indianer, Asiaten, Afrikaner und Zigeuner weiterleben.
Literatur:
- Wulf D. Hund: Die Farbe der Schwarzen. Über die Konstruktion von Menschenrassen. Blätter für deutsche und internationale Politik 8/1993.
- Wulf D. Hund (Hg): Zigeuner. Geschichte und Struktur einer rassistischen Konstruktion. DISS 1996.
- Original page copyrighted from Wienerzeitung in Austria
- Erschienen am: 02.04.1997
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Kommentar und Kritik des Artikels von Nadine Hauer durch den Bois-Caiman-1791-Club
von Jean-Baptiste Pente
1) Dieser Artikel ist an sich sehr lobenswert, denn er versucht einige eurozentristisch festgefahrenen Weltsicht und Historiographie zu entrassifizieren. Dass die europäische Aufklärung – im Gegensatz zu den weit verbreitete Mythen – den klassischen Rassismus erfand, ist die These, die wir seit langem vertreten. Ich gehe sogar ein Stück weiter und vertrete die These: „Die europäische Aufklärung ist die europäische Dämmerung. Die (verwissenschaftliche) ‚rassifizierte‘ Denkweise der ‚europäischen Aufklärer‘ jenseits der ihnen zur Verfügung stehenden geschichtlichen Quellen ist die Grundlage der späteren ‚rassifizierten‘ Strukturen der abnormen eurozentristischen(Asante, 1999) historiographischen Epistemologie. Dies gilt auch für fast alle bis heute praktizierenden humanwissenschaftlichen Disziplinen."(K.D. Pente in: "Europäische Aufklärung oder Dämmerung – Zur Kritik ihrer unkritischen traditionellen Rezeption")
2) Wie viele anderen – insbesondere die sogenannten europäischen Linken – verrät die Autorin dieses Artikels, Frau Nadine Hauer, ihre eigene durch Ihre europäische Sozialisation bedingte Vorurteile und Widersprüche(?). Wie ich oft zu sagen pflege, bleiben die europäischen Kritiken des eurozentristischen Systems hygienisch; die Kritik darf nämlich den grundlegenden roten Faden des eurozentristischen historiographischen und geopolitischen Konstruktion nicht demolieren.
A) Nadine Hauer schreibt: „Die alten Ägypter, die mit Fremden keineswegs freundlich umgingen, bezeichneten die Nubier und andere Afrikaner gleichermaßen als Südländer. Vorurteile aufgrund unterschiedlicher Farbtönungen sind nicht feststellbar.“ Es ist richtig, aber diese tendentiöse(?) Aussage lässt glauben, dass die Altägypter keine Afrikaner, schlimmer noch, keine sogenannten SCHWARZEN waren. Dies ist eine klassische rhetorische Akrobatik der eurozentrisctischen Historiographie seit Hegel, um den SCHWARZEN Ursprung der pharonischen Zivilisation zu negieren.
aa) Die KEMET(Altägyper) machten keinen rassischen Unterschied zwischen ihnen und Äthiopiern(damalige griechische Bezeichnung für Nubien ). Daher ist die ständige eurozentristische Übersetzung von "Nehesiou"(nhs.jw) mit "Neger" oder nHs mit "Negerland" ein purer Unsinn.
ab) Die Altgriechen, Zeitgenossen der Altägyter und Augenzeugen beschrieben – ohne Ausnahme – die Altägypter als schwarzhäutig, krausharrig,etc. (vgl. Herodot Buch II). Nach den Vermächtnissen der Altgriechen waren die Altägyter und „Äthiopier“(Nubier) von der gleichen „Rasse“ und hatten die selben kulturellen Bräuche. Die Nubier sind Vorfahren der Altägypter.(vgl. Champollion der Junge [Entziffer der Hieroglyphen und Begründer der Ägyptologie ], Amelineau, Cheikh A. Diop, Th. Obenga, Moussa Lam, B. Sall, Leclant, J. Devisse, R. Poe, etc. )
ac) Afrikaner, die sogenannten, relativen SCHWARZEN, haben als andere Völker die größte Variabilität an Hautfarbenchattierung. Diese Hautbarbenchattierung variiert von Region zu Region ohne, dass diese Menschen aufhören 'SCHWARZ' zu sein. Nur die europäische rassistische Ideologie nutzt diese Chattierung bis heute, um Afrikaner künstlich aufzuteilen, um insbesondere das Altägypten als nicht 'SCHWARZ' zu propagieren.
ad) Was meint Hauer konkret, wenn sie schreibt: „Die alten Ägypter, die mit Fremden keineswegs freundlich umgingen, bezeichneten die Nubier und andere Afrikaner gleichermaßen als Südländer. Vorurteile aufgrund unterschiedlicher Farbtönungen sind nicht feststellbar.“[1] Von welcher Art von unterschiedlichen Farbtönungen gab es zwischen den Alägyptern und Äthiopiern(Nubiern)? In diesem Artikel ist es offensichtlich, dass Hauer sich der altgriechischen Quellen bedient. Aber es wundert uns, dass sie, wie die europäischen Aufklärer, die sie zurecht denonziert, das Vermächtnis der Altgriechen über die „rassische und kulturelle“ Verwandtschaft zwischen den Altägyptern und „Äthiopiern“(Nubiern) ignoriert. Und wie ich schon gesagt habe, vermittelt der Artikel hier den Eindruck, wie die heutige eurozentristische Historiographie, dass die Alägypter keine Afrikaner bzw. 'SCHWARZE' waren. Dies entspricht nicht den historischen Fakten.
ae) Sie schreibt weiter: „Nun entstehen aus den geachteten Nubiern des alten Ägypten und den wohlgefälligen Äthiopiern der Antike die Schwarzen der Neuzeit, deren unterschiedlichste Farbtönungen ignoriert werden.“
ef) Wie wurden diese „Nubier“ und als Was geachtet ? Wer sind hier Äthiopier ?
Die Behauptung, die Rassentheoretiker würden die „unterschiedlichste Farbtönungen“(cf.) der Afrikaner ignorieren, stimmt überhaupt nicht.[2] Im Gegenteil, diese unterschiedlichsten Farbtönungen der SCHWARZEN waren der Motor der Pseudo-Rassentheorien(sowie Hamiten-Theorien), wo die „Rassenzugehörigkeit“ der Altägypter zuerst als WEISS beschrieben und danach zum Mysterium wurde. Passagen der altgriechische Texte, die die Altägypter SCHWARZ (melan) beschrieben, wurden stets vorsätzlich als BRAUN falsch übersetzt.(vgl. u.a.) Dennoch muss eine letzte Frage erlaubt sein, was ist eigentlich BRAUN ? So weit ich weiss, sind die meisten Afrikaner BRAUN.
B) Begriffe wie INDIANER sind rassistischen Ursprungs und sollte für die Bezeichnung der Ureinwohner ‚Amerikas‘ nicht mehr verwendet werden. Es ist schon schlimm genug, dass diese Völker von Europäern dezimiert wurden. Das müsste Hauer einleuchtend sein.
C) Des Weiteren schreibt sie: „[...]ungefähr 15 Millionen Afrikaner werden nach Amerika verschleppt.“ Diese Zahl gehört zur Manipulation der Geschichtsschreibung des größten Verbrechens in der Menschheitsgeschichte an Schwarzen Völkern(YOVODAH oder MAAFA). Die beste seriöseste Arbeit über die Demographie und Entvölkerung Afrikas durch rassistische und ökonomische Deportation der Afrikaner über 350 Jahre geht von mindestens 150 Millionen Schwarzen Seelen aus, die gewaltsam aus dem Kontinent verschleppt wurden. Dabei muss es beachtet werden, dass für jeden Deportierten 2 bis 3 Afrikaner starben.[3]
Wir können es nur bedauern, dass Nadine Hauer – obwohl sie gegen den Eurozentrismus kämpft – genau so viele Ungereimheiten erzählt und einige Klischees weiter verbreitet.
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[1] Ich unterschtreiche
[2] Mit Ausnahme der Weissen Rassisten in ‚Amerika‘, wo jeder Mensch, der einen Tropfen schwarzen Blut hatte, SCHWARZ wurde.
[3] vgl. Marie Louise Maes DIOP ...
27.11.2009
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