
von Joachim Müller-Jung
10. Dezember 2007 So blütenweiß war die Weste des Genpioniers und Nobelpreisträgers James Watson noch nie, wie sie ihm manche gerne Kraft seiner Autorität und seines Entdeckergeistes zugestanden hätten. Aber so, wie Watson mittlerweile die schwarzen Flecken anzuhäufen scheint, die seine Weste besudeln, hätten das vor diesem Jahr, seinem ganz persönlichen Annus mirabilis, auch diejenigen nicht für möglich gehalten, die sein Talent für Fettnäpfchen kennen.
Jetzt werden ihm seine zwei jüngsten Fehler endgültig zum Verhängnis. Der erste war als großer Werbecoup der Genomforschung gedacht. Watson hatte sich Mitte des Jahres sein eigenes Erbgut mit einem der modernsten Sequenzierautomaten in atemberaubender Geschwindigkeit durchbuchstabieren lassen - und öffentlich preisgegeben. Das Genom des Neunundsiebzigjährigen ist neben dem seines Erzrivalen, Craig J. Venter, das einzige Erbgut, das vollständig decodiert in der größten öffentlichen Gendatenbank der Welt ausliegt (ftp://ftp.ncbi.nih.gov/pub/TraceDB/Personal_Genomics/Watson/).
Überdurchschnittlich
Allerdings hatte sich Watson dazu entschlossen, einige für ihn möglicherweise unangenehme Gengeheimnisse seines Daseins, etwa die Bauanleitung des mit Alzheimer in Zusammenhang stehenden ApoE-Gens, in der öffentlichen Version zu schwärzen. Vor nichts scheint sich der New Yorker, der in Chikago geboren wurde, mehr zu fürchten als vor dem geistigen Zusammenbruch. Allerdings attestierte man ihm ein paar Monate später, als er auf einer Buchlesereise durch England in einem Interview den Afrikanern eine düstere Zukunft prognostizierte[...]: Die gesamte Sozialpolitik, sagte Watson, sei auf der Voraussetzung aufgebaut, dass die Afrikaner genauso intelligent seien wie „wir“, wohingegen alle Tests sagen, dass das nicht der Fall sei. Watson wurde daraufhin vom Cold Spring Habor Lab, einem der angesehendsten Genlabore der Welt, vor die Tür gesetzt.

FAZ.net
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen