von Anke Engelmann, Erfurt
Schwarzafrikanische Flüchtlinge sind in Thüringen politisch sehr aktiv. Seit einigen Jahren kommen immer weniger Afrikanische Asylbewerber in das Bundesland – vielleicht deshalb, vermuten Flüchtlingsorganisationen.
Vietnamesen, Chinesen, Menschen aus der Russischen Föderation und dem Kaukasus, der Türkei und Kurdistan, Amerikaner, Polen, Italiener – Thüringens Bevölkerung ist bunt gemischt. Nur Schwarzafrikaner kommen immer weniger, ihre Zahl geht seit Jahren kontinuierlich zurück. Nur 1300 der in Deutschland lebenden 270 000 Afrikaner sind in Thüringen beheimatet – im Nachbarland Hessen leben 42 530. Im vergangenen Jahr erhielten 153 Menschen aus Afrika Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die meisten (35 Prozent) stammen aus Algerien und Sierra Leone (20,9 Prozent). Ihre Zahl geht kontinuierlich zurück – 1998 waren es noch 896, 2006: 206 Afrikaner.
[ Osaren Igbinoba: Gründer der Flüchtlingsorganisation 'The Voice Refugee Forum' ]
Nicht leicht, sich Gehör zu verschaffen
Schwarze Afrikaner sind den Thüringer Behörden zu renitent, vermutet die Flüchtlingsorganisation The Voice Refugee Forum Jena. 1994 als »The Voice Africa Forum« von Afrikanern in Mühlhausen gegründet, ist die Gruppe seit 1998 Mitglied in der bundesweiten Karawane für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen und bietet ein Forum für alle Flüchtlinge. Die Organisation hat es oft nicht leicht, sich Gehör zu verschaffen. So gibt es Behörden, die The Voice nicht als Gesprächspartner akzeptieren, weil sich in ihr – anders als beispielsweise im Flüchtlingsrat – fast ausschließlich Emigranten engagieren. Bei einigen Landräten schwingen auch rassistische Töne mit, berichtet Osaren Igbinoba, Gründungsmitglied von The Voice. Der Nigerianer hat seit 1997 eine Aufenthaltsgestattung und lebt in Jena.
Seit 2003 seien keine schwarzafrikanischen Flüchtlinge in den Freistaat gekommen, so The Voice. Igbinoba führt das auf das Engagement afrikanischer Flüchtlinge in Thüringen zwischen 1994 und 2001 zurück, beispielsweise in Tambach-Dietharz und Jena-Forst. So hatten Asylbewerber aus Afrika in der Unterkunft Tambach-Dietharz spontan gegen die hygienischen Verhältnisse und rassistisches Verhalten der Heimleitung protestiert. Ende 2002 wurde das Lager aufgrund der Flüchtlingsproteste geschlossen.
Dem Bundesland seien mit Algerien und den Seychellen zwei afrikanische Herkunftsländer »zur möglichen Bearbeitung zugewiesen«, so das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF). In diesem Jahr seien bereits zehn Personen aus Algerien »zuverteilt« worden. Höchstwahrscheinlich keine Schwarzafrikaner: In Algerien leben vorwiegend Araber und Berber, auf den Seychellen überwiegend Kreolen. Dass hinter der Verteilung eine Absicht steckt, schließt man beim BAMF jedoch aus. Einige BAMF-Außenstellen hätten sich spezialisiert, erläutert eine Sprecherin. Ohnehin werden Thüringen nach dem Königsteiner Schlüssel, der die Verteilung der Asylsuchenden nach Steueraufkommen und Bevölkerungszahl regelt, nur wenige Flüchtlinge zugewiesen.
Aktivisten lassen sich nicht einschüchtern
Auch wenn die Behörden subtil oder weniger subtil Druck ausüben, lassen sich die Aktivisten nicht einschüchtern. Anfang Oktober feiert die Karawane ihr zehnjähriges Jubiläum mit einem Treffen in Weimar und Jena. Auf dem Programm stehen eine Demo, der Besuch verschiedener Flüchtlingslager sowie Seminare zur Selbstorganisation, der Rolle Deutschlands im europäischen Krieg gegen Flüchtlinge und Kampagnenarbeit. Am 14. September lädt The Voice zu einer Aktion gegen das »Isolationslager« Katzhütte.
01.09.2008
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