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Zur Thematisierung Afrikas in der Ägyptologie - Mit einem kritischen Kommentar von Bois-Caiman

Zur Thematisierung Afrikas in der Ägyptologie - Mit einem kritischen Kommentar von Bois-Caiman

Vortragsmanuskript für eine Veranstaltung von A.I.P.A. [L′Association Internationale et Interdisciplinaire pour La Promotion de l′Archéologie Africaine]

von Sabine Neureiter*

Die altägyptische Kultur ist eine afrikanische Kultur. Diese Feststellung erscheint zunächst keiner besonderen Erwähnung wert, schließlich ist allen LeserInnen die Tatsache bekannt, daß es sich bei Ägypten um eine nordafrikanisches Land und insofern bei der altägyptischen um eine afrikanische Kultur handelt. Entscheidend ist jedoch die Frage, ob den LeserInnen die schwarzafrikanischen Wurzeln Altägyptens bewußt sind und von ihnen anerkannt werden.

Das Festmachen von Geschichte und Geschichtsbewußtsein am Vorhandensein von Schrift ist heute nicht mehr haltbar - ebensowenig wie die Annahme, die altägyptische Kultur sei nicht Teil der afrikanischen Geschichte. Es soll hier dafür plädiert werden, die afrikanische Komponente in der Ägyptologie verstärkt zu thematisieren.

Die Ägyptologie ist eine eurozentristische Wissenschaft

1822 entzifferte Jean François Champollion die Hieroglyphen und begründete damit die Ägyptologie. Er leitete die wissenschaftliche Erforschung der altägyptischen Kultur ein, die bis heute fast ausschließlich ohne Mitwirken schwarzafrikanischer WissenschaftlerInnen betrieben wird. Hunderten europäischer, ägyptischer und amerikanischer ÄgyptologInnen stehen nur wenige afrikanische gegenüber, deren wissenschaftliche Gewichtigkeit v.a. aus historischen, aber auch bildungspolitischen Gründen in keinem Verhältnis zu der ihrer weißen KollegInnen steht. Bis heute wird die altägyptische Geschichte eurozentristisch interpretiert und für das europäische Geschichtsbewußtsein und Selbstverständnis okkupiert. Diese Okkupation geschah und geschieht mit einer Selbstverständlichkeit, die staunen läßt: So werden etwa die sich heute in Berlin befindliche Büste Nofretetes oder die kairener Goldmaske Tutanchamuns (beide um 1350 v. Chr.) zum europäischen, sprich makellosen, Schönheitsideal hochstilisiert und neben unzähligen anderen altägypischen Kulturelementen verkaufsintensiv vermarktet.

Das Interesse Europas an der altägyptischen Kultur ist seit der Antike nicht abgerissen. Aufgrund dieses Interesses ist uns heute die altägyptische Kunst entsprechend vertrauter als etwa die des alten Amerika oder des Fernen Ostens. Das christliche Europa mußte sich niemals gegen die altägyptische Kultur abgrenzen, wie dies etwa gegen die arabische Kultur der Fall war, entsprechend ungestört ist auch unser modernes Kunstempfinden Altägypten gegenüber. Altägyptische Plastiken erscheinen uns verwandt, so daß uns dabei ihr afrikanisches Aussehen völlig entgeht. Unsere stereotype Vorstellung davon, wie AfrikanerInnen auszusehen haben, trägt ihren Teil zu dieser Ignoranz bei. Dabei sei auf das Problem der unterschiedlichen Hautfarben der in den altägyptischen Tempeln und Gräbern dargestellten Fremdvölker aufmerksam gemacht. Sich selbst stellten die Ägypter dunkel- und hellbraun dar, die Leute aus dem Süden wurden dunkelbraun und schwarz abgebildet. Aufgrund dieser Darstellungen werden die dunkleren Menschen als Afrikaner und die helleren als Ägypter, und implizit als Nicht-Afrikaner, bezeichnet. Die Farbe der Haut ist von verschiedenen Faktoren abhängig, vom Klima ebenso wie von genetischen Einflüssen. Aus diesem Grund gibt es heute auf dem afrikanischen Kontinent, ebenso wie zu Zeiten der altägyptischen Kultur, AfrikanerInnen unterschiedlicher Hautfarbe. Die stereotype Vorstellung, dunkle Hautfarbe stehe für den Süden, für Afrika oder für einen afrikanischen Einfluß, die helle Hautfarbe dagegen für den Norden, für Europa, für einen nordischen oder europäischen Einfluß, versperrt den Blick für die schwarzafrikanischen Merkmale der altägyptischen Kultur, sie werden übersehen oder ignoriert.

Afrikaner begründeten die altägyptische Kultur

B. Jewsiewicki und V. Y. Mudimbe schreiben im "Unesco-Kurier" 3, 1990, 39: "Ägypten war nicht nur eine afrikanische Zivilisation, sondern eine schwarze Kultur, so früh wie es auch Menschen gegeben hat". Wer könnte das bestreiten? Der Ursprung des Menschen (homo sapiens sapiens) liegt in Afrika; von da aus besiedelten Gruppen seines Vorfahren (homo erectus) die ganze Welt. Ihre Ausbreitung vollzog sich vor etwa einer Million Jahren von Südostafrika nach Asien und Europa.

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Der ganze Vortrag kann bei Verlag Für Akademische Texte für 4,99 EUR erworben werden.

*Sabine Neureiter studierte Ägyptologie und Ethnologie in Heidelberg und Hamburg

Autor: M.A. Sabine Neureiter
Fachbereich: Ägyptologie
Kategorie: Anderes
Jahr: 1994
Seitenzahl: 10
Literaturverzeichnis: ~ 11 Einträge
Größe: 64 KB
Archivnummer: V61117





KOMMENTAR von Bois-Caiman:

Unterstützung, JA - Paternalismus, NEIN !

von Jean-Baptiste Pente

Wir begrüssen und unterstützen immer Wissenschaftler, insbesondere europäische, die in der Geschichtswissenschaft sich vom rassistischen Eurozentrismus distanzieren. Dies verpflichtet uns auch dazu, die Thesen dieser Wissenschaftler unter die Lupe zu nehmen. Den zehnseitigen Appel von Frau Neureiter über die Rehabilitierung der Ägyptologie und somit der afrikanischen Geschichte, der beim Grin-Verlag erschienen ist, hat uns zuerst sehr begeistert. Nachdem wir das Dokument erworben und gelesen haben, mussten wir jedoch den Kopf schütteln.

Ihre Grundintention ist nobel, aber Ihre Argumention ist sehr oberflächlich und sie wiederholt sogar zum Teil die eurozentristischen Thesen. Und so ein Vortrag soll 1994 bei der A.I.P.A gehalten worden sein ? Sie täte so als hätte sie sich mit den massiven Arbeiten der afrikanischen Kemetologen(Ägyptologen) der Cheikh Anta Diop-Schule, die im Gegensatz zu ihren westlichen Kollegen sehr interdiziplinär ausgebildet sind und arbeiten, nicht ausführlich auseinandergesetzt. Dies wäre ein unverzeihbarer Fehler, der uns allen mehr schadet und sogar den Zweck diskreditiert.

1) Entgegen der Behauptung von Frau Neureiter(gängige These der westlichen Ägyptopathen) ist die altägyptische Sprache keine "hamito-semitische/afro-asiatische" Sprache (eine solche Sprachfamilie basiert auf gar nichts, zumindest nicht auf einem wissenschaftlichen Fundament), sondern eine rein-afrikanische Sprache. Bezüglich der Kairoer-UNESCO-Kolloquiums von 1974 schreibt der beste noch lebende Linguist(u.a. Ägyptologe und Historiker) Afrikas, Prof. Théophile OBENGA: „Die altägyptische, pharaonische und koptische Sprache ist weder eine indo-europäische (wie Hittisch oder Griechisch), eine semitische Sprache (wie Akkadisch oder Hebräisch oder Arabisch ), noch eine Beber-Sprache (wie das Berber von Siwa oder noch das Rifain), mit anderen Worten, es gibt keinen Gelehrten, der – unter Beachtung der streng wissenschaftlichen Methoden der historischen Linguistik (komparatistisch und induktiv), d.h. von einer primitiven predialektalen Ursprache ausgehend – diese Verwandschaft rekonstruiert hat. Die altägyptische, pharaonische und koptische Sprache ist mit keiner dieser Sprache genetisch verwandt, um deutlicher auszudrücken, es gibt keine genetische Verwandschaft zwischen dem Altägyptischen, der semitischen Sprache und Berber-Sprache einerseits und zwischen dem Altägyptischen und der Indo-europäischen Sprache andererseits. All dies unter streng Beachtung der geltenden wissenschaftlichen Methode. Das Altägyptische ist jedoch genetisch mit anderen schwarzafrikanischen Sprachen in Afrika verwandt, dies gilt sowohl für die alten als auch für die modernen afrikanischen Sprachen. Auch das von der UNESCO 1974 organisierte Kolloquium in Kairo (Arabische Republik Ägypten)* hatte explizit allen Spezialisten der komparativen Linguistik empfolen,[alle möglichen Verwandschaften zwischen dem Altägyptischen und den afrikanischen Sprachen herzustellen,] da die Teilnehmer es selber angesehen hatten, dass es unmöglich ist, eine genetische Verwandschaft zwischen dem Altägyptischen, dem Semitischen und Berber zu etablieren. Dies bedeutet auch, dass die sogenannte ´ hamitisch-semitische` oder ´ afro-asiatische` Sprachfamilie nur eine irrealistische, trübe Vorstellung ohne irgendeine Konsistenz ist."(1) Und zwanzig Jahre später (1994) müssen wir solche pseudo-wissenschaftlichen Thesen noch serviert bekommen ? Schlimmer noch, die eurozentristisch-rassistischen Ägyptopathen ignorieren diese Fakten bis heute (2008) und verbreiten weiterhin Mythen über die kemetische Zivilisation.

2) Frau Neureiter behauptet, die Ägyptologie sei von ihrer Geburt an eurozentristisch. Dies ist völlig falsch, denn der Entziffer der Hieroglyphen und Begründer der Ägyptologie, Jean-Francois Champollion (genannt Champollion Der Junge) war ein ehrlicher Wissenschaftler, der den sudanesischen Ursprung der Altägypter als erwiesen sah. Er wurde deswegen sogar sehr bekämpft. Auch seine Chronologie der Geschichte Altägyptens wurde christlicherseits attackiert, da eine ältere prächtige Geschichte als die des Christentums nicht akzeptabel war. Champollion erkannte auch, dass Semiten(AMOU) und Europäer(TEMEHOU), also Weisse Menschen in Altägypten als wilde verpönt waren. Sein großer Bruder Champollion Figiac war ein Geschichtsfälscher, der, um seinem kleinen Bruder widersprechen zu wollen, behauptete seltsamerweise, die Altägypter seien Weisse mit dunkler Hautfarbe gewesen. Die heutige Ägyptologie hat mit ihrem Begründer nichts mehr zu tun. Daher spreche ich oft von Ägyptopathologie, denn wie kann man eine Zivilisation bewundern und lieben(?) und gleichzeitig ihre legitimen Begründer dermaßen negieren und hassen ? Die Altägypter (REMETOU / KEMTIOU) sahen die NEHESIOU(Nubier/Soudanese) als ihre Verwandten an.(Vgl. Grabtexte von Sethi I, Mérenptah und Ramses III - Livre des portes) Die NEHESIOU stehen unter dem Schutz von HOURUS während SEKHMET (Kriegsgöttin mit Löwenkopf) die Seele der AMOU und TEMEHOU zu zertrümmern hat.

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(1) Origine commune de l'égyptien ancien, du copte et des langues négro-africaines modernes: Introduction à la linguistique historique africaine, Théophile Obenga(Hrsg.), L´Harmattan, 2000, 401 S.

3) Fortzetzung folgt auf Seite 2, sie liegt noch nicht der Redaktion vor...

Bois-Caiman-Radaktion

15 .06. 2008

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