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Für Obama ist Afrika eine Angelegenheit seines persönlichen Stolzes - Was er für den Kontinent tun könnte !*

Für Obama ist Afrika eine Angelegenheit seines persönlichen Stolzes - Was er für den Kontinent tun könnte !*

von Binyavanga Wainaina

Barack Obama sollte die gebildeten Afrikaner in den USA zur Hilfe für Afrika (den Schwarzen Kontinent) aufrufen. Für Obama ist Afrika eine Angelegenheit seines persönlichen Stolzes und Selbstverständnisses - Für Obama ist Afrika eine Angelegenheit seines persönlichen Stolzes und Selbstverständnisses

Amerika mag durchaus unser finsterer großer Bruder sein, wenn es um seine Rohstoffe und geopolitischen Abenteuer geht. Aber es bleibt für uns Afrikaner das einzige Land der Welt, das qualifizierten Einwanderern offensteht. Möglicherweise ist es diese schlichte Tatsache, die zu Amerikas Reichtum und Einfluss in der Welt am stärksten beiträgt.

Wenn man fragt, wie die künftige Weltgesellschaft aussehen und welche Rolle Afrika darin spielen wird, muss man zunächst festhalten, dass Afrikas wichtigste Ressource in seiner gebildeten Klasse besteht, genauer in der afrikanischen Diaspora, der ersten und zweiten Generation von Auslandsafrikanern mit ihren enormen Talenten und ihrem Kapital. Diese Diaspora lebt überwiegend in den USA. Unter den Bevölkerungsgruppen der Vereinigten Staaten ist keine Gruppe gebildeter als die der afrikanischen Einwanderer. Fast ein Viertel dieser Afrikaner können Universitätsabschlüsse vorweisen, und das ist ein höherer Prozentsatz als bei chinesischen Amerikanern, weißen Amerikanern oder bei Amerikanern aus Indien oder Pakistan. 31 Prozent der Amerikaner aus Nigeria haben einen Masterabschluss, das ist statistisch gesehen mehr als bei jeder anderen Volksgruppe Amerikas.

In welches Land sie auch gehen, Afrikaner schneiden offenbar immer gut ab, vorausgesetzt natürlich, dass ihnen alle Chancen offenstehen und ein relativ faires Spiel gespielt wird. So verfügt in Großbritannien ein enormer Anteil von 82 Prozent der kenianischen Einwanderer über Immobilienbesitz. Das ist mehr als bei weißen Briten, bei in Amerika geborenen Briten, mehr als bei irgendeiner anderen Bevölkerungsgruppe in Großbritannien. Für das restliche Europa gelten solche Zahlen nicht. Es sperrt sich gegen Einwanderung, manchmal hat man den Eindruck, einige europäische Länder würden Gewalt gegen afrikanische Einwanderer nicht verhindern, vielleicht sogar ermutigen. Aber Europa kann sicher sein: Es ist zu seinem Schaden.

Whitney W. Schneidman, der Afrikaberater Präsident Obamas, beteuert, dass die in Amerika lebenden afrikanischen Einwanderer in der Außenpolitik der neuen Regierung eine zentrale Rolle spielen werden. In der Tat, wenn wir nach Afrika blicken, wird uns die Macht der amerikanischen Diaspora schlagartig bewusst. In Kenia kann kein Präsidentschaftswahlkampf ohne Geld aus den Vereinigten Staaten geführt werden, aber nicht nur dort. Keine Gruppe spült mehr Fremdwährung auf den Kontinent als die in Amerika lebenden Zuwanderer aus Afrika. Diese Ausgewanderten verfügen in Afrika über viel Grundbesitz, sie sind für viele städtische und ländliche Erschließungsprojekte verantwortlich, sie unterstützen ihre alten Eltern, und sie sind vermutlich die bei Weitem größte Finanzierungsquelle für die Ausbildung einer jüngeren Generation von Afrikanern.

Wenn man sich die Lebensläufe von Universitätslehrern auf dem afrikanischen Kontinent ansieht, wird man feststellen, dass mehr von ihnen in den USA studiert haben als irgendwo sonst. Die Forschung in den Humanwissenschaften mit Schwerpunkt Afrika wird zum größten Teil von Intellektuellen geleistet, die in Afrika geboren sind, häufig auch dort studierten und nun in Amerika leben. Und vergessen wir nicht: Viele unserer größten Schriftsteller haben ihren Wohnsitz in den USA. Chinua Achebe ist am Bard College beheimatet, Ngugi wa Thiong’o lebt in Kalifornien, Ama Ata Aidoo lehrt an der Brown University, Wole Soyinka an der Emory University, Chimamanda Adichie lebt teilweise in den USA.

Wenn man mich fragt, so ist Barack Obama zweifellos ein Teil dieses Phänomens. Seine Biografie gleicht sehr der von vielen Amerikanern afrikanischer Herkunft in der ersten und zweiten Generation. In der Forschung wurde dieses Phänomen ausgiebig beschrieben, von den Medien jedoch im Großen und Ganzen ignoriert, weil es den gängigen Vorurteilen widerspricht. Während des Präsidentschaftswahlkampfs sprachen die Medien von Obama so, als sei er ein aus der Art geschlagener Enkel afrikanischer Ziegenhirten, der mit etwas Glück seinen Aufstieg schaffte.

TEIL 2

Leider kann ich mich nicht erinnern, dass Afrikaner, die in Amerika leben, zu irgendeinem Zeitpunkt in den letzten zwei Jahrzehnten in die Außenpolitik der USA aktiv einbezogen wurden. Ich kann mich nicht entsinnen, in irgendeinem afrikanischen Land einen Diplomaten oder auch nur einen Konsulatsangestellten gesehen zu haben, der Amerikaner jüngeren afrikanischen Ursprungs ist. Was als »Entwicklungshilfe« gilt, wird mehr oder weniger von Liberalen organisiert, die nur sehr wenig Erfahrung mit dem Kontinent haben. Andererseits habe ich gehört, dass die Polizeibehörden in den Vereinigten Staaten so viele Igbo sprechende Amerikaner wie möglich rekrutiert haben, um mit ihrer Hilfe internationalen Verbrechersyndikaten das Handwerk zu legen. Das ist nicht untypisch. Unsere Fähigkeiten sind nur in einem negativen Zusammenhang gefragt – wenn es darum geht, Gangstern das Handwerk zu legen.

Nun hat Barack Obama alle Amerikaner afrikanischer Herkunft ermuntert, sich stärker an der Entwicklung ihres Heimatkontinents zu beteiligen. Das ist eine Verpflichtung, die sehr schwer wiegt und die wir sehr ernst nehmen. Denn wir Afrikaner sind anspruchsvoll und erwarten, dass die Art, wie die Dinge getan werden, höchsten Maßstäben genügt. Und bislang ist keine amerikanische Regierung eine Verpflichtung gegenüber Afrika eingegangen.

Und dennoch, sagen wir es so, wie es ist: Barack Obama ist der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, und seine erste Aufgabe ist es, auf der ganzen Welt amerikanische Interessen nach Kräften zu fördern. Machen wir uns also keine Illusionen. In den kommenden Jahren wird vieles geschehen, das dem Fortschritt meines afrikanischen Kontinents eher schaden wird. Über das mysteriöse und bedrohliche »Africa Command«, die geplante militärische Kommandozentrale der Amerikaner in Afrika, hat Obama bisher nichts verlauten lassen. Kongo und Sudan werden von den USA vermutlich nach dem üblichen Schema behandelt werden. Kenia, das in Erwartung vieler Leckerbissen bereits sein Tafelsilber poliert, ist für Amerika ein kleiner Fleck am Indischen Ozean, der gelegentlich Freundlichkeiten verdient. Das wird sich nicht groß ändern.

Da Afrika im Welthandel nur eine bescheidene Rolle spielt, verspürte die Supermacht Amerika bislang keinerlei Dringlichkeit, auf dem Kontinent irgendetwas zu tun, was Wohlstand, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fördern könnte. Was Krisen betrifft, gilt immer noch die Clinton-Doktrin: Geschieht ein Völkermord, hält man sich fein raus. Ist die Krise beendet, reckt man die Hände zum Himmel und jammert. »Nie wieder« dürfe so etwas geschehen, und dann vergießt man Tränen am Genocide Memorial. Wie Tony Blair, der so lange wartete, bis er alle Macht verspielt hatte. Dann sagte er den Satz, Afrika sei die Wunde des Weltgewissens, was wohl heißen sollte, irgendjemand müsse etwas tun. Und prompt berief er ein Forum ein. Solche Foren sind ein Schlüsselelement im Verhältnis zwischen dem reichen Westen und Afrika, insbesondere auf dem G-8-Gipfel. Dort ist die Idee des Forums zum Ritual verkommen; es bedeutet überhaupt nichts mehr und hat schon den Charakter einer persönlichen Beleidigung. Was ist Afrika dort wert? Ein alljährliches Bedauern. Oder ein mitleidiges Klagelied. Alle Jahre wieder.

An dieser Stelle könnte sich zeigen, dass Barack Obama anders ist. Denn was Afrika sein könnte, ist für ihn, ebenso wie es das für mich oder jeden anderen Spross dieses Kontinents ist, eine Angelegenheit seines persönlichen Stolzes und Selbstverständnisses – das geht aus seinem Buch Dreams of My Father hervor. Die Messlatte für die afrikanische Zukunft liegt augenblicklich sehr niedrig. Wenn Afrikaner eine Mahlzeit am Tag haben, sich nicht gegenseitig mit Macheten niedermachen und das Öl ungehindert durch die Pipeline rinnt, ist alles in Ordnung.

Die kenianische Provinz Nyanza, die Barack Obamas brillanten Vater hervorbrachte sowie andere Intellektuelle von Weltrang, die also ein wichtiger Ursprung jener erfolgreichen afrikanischen Diaspora ist, die in Amerika existiert, ist mittlerweile die zweitärmste Provinz Kenias. Über Generationen hat man sie vernachlässigt und eine intakte Sozialstruktur zerstört. Vor einiger Zeit brannten wütende junge Männer bei Ausschreitungen einen Großteil der Provinzhauptstadt Kisumu nieder; Aids ist ein großes Problem. In dem Elend kurven riesige Jeeps der NGOs mit Hilfsgütern herum, am Steuer engagierte, sehr gut bezahlte, meist weiße Leute, die uns Afrikaner in der Regel für unmündige Kinder halten und uns am liebsten mit dem Breilöffelchen füttern würden.

TEIL 3

Wenn es etwas gibt, was Barack Obama tun kann, dann sollte er die Messlatte höher legen. Er sollte sich bewusst werden, dass der afrikanische Kontinent seinem Land Fachkräfte auf Weltniveau zur Verfügung stellen kann. Er sollte sich klar darüber werden, dass Afrika Teil einer florierenden Weltgesellschaft werden kann und mit Respekt behandelt werden sollte. Obama könnte damit anfangen, die afrikanische Diaspora in Amerika aufzurufen, sich zu organisieren und Brückeninstitutionen zu gründen, die es den Diasporamitgliedern ermöglichen, besser auf ihren Heimatkontinent einzuwirken – mit ihren Fähigkeiten und ihrem Kapital, ihrem guten Willen und ihrem Unternehmungsgeist. Würde Obama die afrikanische Diaspora in den USA zum Handeln aufrufen, hätte er im Nu eine Million Freiwillige. Ich wäre der Erste, der sich melden würde.

Und was wird künftig aus Amerika? Nun, viele glauben, Barack Obama werde die amerikanische Supermacht demontieren. Aber warum sollte er? Obama selbst hat nie behauptet, er sei ein Präsident, der sich von seinen Vorgängern substanziell unterscheide – mit Ausnahme von George Bush natürlich. Ich denke, er wird ein höheres politisches Niveau pflegen, er wird im Ausland verantwortungsvoller handeln und mehr auf die Einhaltung der Menschenrechte achten, als man es von einem amerikanischen Präsidenten gewohnt ist. Aber über kurz oder lang wird der Weg der Supermacht Amerika vorgezeichnet sein: Sie wird durch ihr eigenes Schwert umkommen, wie andere Großmächte vor ihr. Und nicht durch die Handlungen eines lebenden Präsidenten.

Binyavanga Wainaina wurde 1971 in Nakuru in der kenianischen Provinz Rift Valley geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der University of Transkei in Südafrika und verfasste zahlreiche Reiseberichte und Erzählungen, für die er mit dem renommierten Caine-Preis für afrikanische Literatur ausgezeichnet wurde. Derzeit ist Wainaina Fellow am Bard College in Upstate New York

Aus dem Englischen von Karin Wördemann

Anmerkung von BOIS-CAIMAN-RDAKTION:

*Der Titel wurde von BOIS-CAIMAN-REDAKTION geändert.
Originaltitel der Übersetzung: "Was kommt nach Amerika? - Unser finsterer großer Bruder"
*Einige Ausdruckweise im Text wurde von uns durch Durchstreichen zensiert und ersetzt.

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11.02.09