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Eine andere Form des Neokolonialismus - Genmanipuliertes Saatgut in Afrika

Eine andere Form des Neokolonialismus - Genmanipuliertes Saatgut in Afrika

von Joseph Kyalangilwa*

Brauchen wir in Afrika wirklich gentechnisch modifizierte Pflanzen für unsere Nahrungsautarkie? Wir glauben das nicht.

Wenn man die Motivationen der Erfinder der genmanipulierten Produkte analysiert und deren Werbekampagnen verfolgt, die sie lautstark von den Tribünen internationaler Organisationen aus führen, so erfährt man, dass mit genmanipuliertem Saatgut auf weniger Ackerfläche mehr produziert werden kann, und zwar mehrmals pro Jahr.

Was uns in Afrika betrifft, so haben wir noch riesige Flächen bebaubares Land, auf dem wir genug für unseren Nahrungsbedarf produzieren können, sogar ohne Dünger zu Hilfe zu nehmen. Das Problem des Nahrungsmittelmangels in Afrika kann niemals durch den Zwang zum Anbau von genmanipulierten Pflanzen oder durch Spenden überschüssiger Nahrungsmittel aus den westlichen Ländern gelöst werden.

Folgen von genmanipuliertem Saatgut in den Entwicklungsländern

Genmanipuliertes Saatgut wird im Westen produziert. Selbst wenn der Hektarertrag beträchtlich ist, kann man mit genmanipulierten landwirtschaftlichen Produkten keine Selektion des Saatguts machen. Dadurch ist man zwingend auf neues genmanipuliertes Saatgut angewiesen, das nur von westlichen Firmen angeboten wird. Folglich ergibt sich eine totale Abhängigkeit von westlichen Lieferanten zu Preisen, die - wie bei den Medikamenten - die Ärmsten noch ärmer und die Reichsten noch reicher machen.

- Wenn genmanipuliertes Saatgut den Entwicklungsländern verkauft wird und genmanipulierte Nahrungsmittel als Spenden verteilt werden, so bleiben wir in Afrika äusserst skeptisch - auch wenn uns die Lieferanten deren Unbedenklichkeit für die Gesundheit der Konsumenten beteuern.

- Darüber hinaus stellen die Transport-kosten für dieses Saatgut und für die westlichen Nahrungsmittelspenden mehr als 50% der Gesamtkosten dar. Dies ist eine weitere Art, den speziell zu diesem Zweck gegründeten europäischen Transportgesellschaften Gewinne zu verschaffen und gleichzeitig diesen Ländern zahlreiche Arbeitsplätze zu garantieren.

- Für uns sind diejenigen Lebensmittel gesund, die auf natürliche Weise produziert werden und die unseren gewöhnlichen Ernährungsgewohnheiten entsprechen. Man kann sie sicherlich noch verbessern, variieren und ausgewogen gestalten.

Wie kann Afrika zur Lebensmittelautarkie gelangen?

Erstens müssen die Machthaber des Westens aufhören, nutz- und sinnlose Kriege in den Entwicklungsländern hervorzurufen. Das Glück oder Pech der sogenannten Entwicklungsländer ist, dass sie immense natürliche Bodenschätze besitzen, welche die Industrien der westlichen Grossmächte dringend benötigen. Einige seien hier aufgeführt: Erdöl, Diamanten, Gold, Kupfer, Uran, Kobalt, Eisen, Zinn, Coltan, Exportgüter aus Landwirtschaft und Wald usw. Die Aggressionen, Besetzungen und die illegale Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe sind unter anderem im Irak, im Südsudan, in der Demokratischen Republik Kongo, in Sierra Leone, in Liberia, in Elfenbeinküste, in Angola und in Nigeria zu beobachten. Ausführende sind dabei oft die übrigen winzigen, von Armut heimgesuchten Nachbarländer, die unter skandalöser Miss-achtung der Bestimmungen der Uno-Charta und der internationalen Gesetze von den Grossmächten instrumentalisiert werden.

Obwohl sie behaupten, sie stünden über den internationalen Gesetzen, die sie jedoch ratifiziert haben, werden diese Grossmächte unter anderem regelmässig in den verschiedenen Uno-Berichten genannt: die USA, Kanada, Grossbritannien, Belgien, Holland, Deutschland, Frankreich usw., das sind die wahren Auftraggeber für das Unheil, das auf die Entwicklungsländer hereinbricht, Länder, in denen das Leben der autochthonen Bevölkerung nichts wert ist. Jene Grossmächte sind die wirklichen Nutzniesser der natürlichen Ressourcen, die von ihren Handlangern in einem fremden souveränen Land unter trügerischem Vorwand illegal ausgebeutet werden - ein Vorgehen, das von der Uno immer wieder verurteilt wird, aber bisher leider ohne den erhofften Erfolg.

Wir müssen hier festhalten, dass die Kriege, die an vielen Orten den Menschen aufgezwungen werden, Teil von Destabilisierungsplänen sind, die bis ins kleinste Detail in den Labors der Grossmächte entworfen werden. Nichts geschieht zufällig! Wir jedoch brauchen den Frieden, um uns harmonisch weiterentwickeln zu können. Wenn wir in Frieden leben könnten - und wir haben das Recht dazu -, so würde dies die Auswanderung aus Afrika massgeblich reduzieren. Die sogenannt zivilisierten Länder klagen über den Zustrom von Flüchtlingen aus den Armutsländern, aber in Wirklichkeit sind die Kriegstreiber in Afrika für diese Situation verantwortlich. Sie erwerben nicht nur zu lächerlichen Preisen unsere Bodenschätze, die sie als Rohstoffe für ihre Industrien benötigen, sondern diese von ihnen provozierten mörderischen und nutzlosen Kriege sind gleichzeitig auch sichere Märkte für den Absatz von Waffen und Munition, die von den Industrien dieser westlichen Länder hergestellt werden. Die grossen Verlierer sind einmal mehr die Völker der armen Länder!

Wie bereits erwähnt, besitzen unsere Länder genügend bebaubares Land, um auf natürliche Art die Produktion von Nahrungsmitteln zu gewährleisten. In gewissen Staaten Afrikas sind die anbaufähigen Böden jedoch ungenügend genutzt: Die Demokratische Republik Kongo zum Beispiel umfasst eine Fläche von 2345400 km2, davon werden zurzeit nur 3% für die Landwirtschaft genutzt. Weitere 7% der Gesamtfläche können noch genutzt werden, 3,3% der Fläche werden von Wasser, 60% von Wäldern bedeckt.

In anderen Ländern hingegen, vor allem in den ehemaligen britischen Kolonien, befinden sich 80% des landwirtschaftlich genutzten Landes in den Händen einer Handvoll fremder Siedler, die im Verhältnis zur Bevölkerung dieser Länder nur 1-2% ausmachen. Und auf diesen ausgedehnten Ländereien bauen die Siedler Exportprodukte wie Kaffee, Tee, Zuckerrohr und Tabak an, was zu Lasten des Anbaus der dringend notwendigen Grundnahrungsmittel für die lokale einheimische Bevölkerung geht.

Die Staats- oder Regierungschefs dieser Länder werden - sobald sie versuchen, die unter dem Kolonialregime konfiszierten Länder zurückzugewinnen - als Rassisten, schlechte Verwalter und Diktatoren bezeichnet. Für die ehemaligen Kolonialmächte müssen solche Regierungschefs von der poli-tischen Bühne verschwinden. Sie werden deshalb bei internationalen Treffen zu Opfern von Verleumdungen und Verunglimpfungen, damit sie baldmöglichst durch einen Opponenten, das heisst einen Strohmann, ersetzt werden können. Das ist unter anderem der Fall bei Präsident Robert Mugabe in Zimbabwe, es trifft aber auch auf Südafrika, Kenia usw. zu.

Afrika braucht, wie alle anderen Entwicklungsländer, die Betreuung und technische Unterstützung bei seinen landwirtschaft-lichen Entwicklungsprogrammen. Diese Programme sollten - da es um die Unabhängigkeit des Bauches geht - für alle Regierungen Afrikas zur absoluten Priorität werden. Um dies zu ermöglichen, muss die technische Unterstützung vor allem auf die Ausbildung der Ausbildner konzentriert werden, und zwar so, dass am Ende der Unterstützungsperiode, wenn die Kooperationshelfer das Land wieder verlassen, die Programme weitergehen und weiterentwickelt werden können. Diese Programme müssen das Schwergewicht auf die Anbaumethoden legen, unter spezieller Berücksichtigung der Verwendung von lokal verbessertem Saatgut, das von den nationalen landwirtschaftlichen Forschungszentren produziert wird. Die Agronomieingenieure und -techniker werden dabei speziell darauf achten müssen, dass die Verwendungsdauer des selektionierten Saatgutes berücksichtigt wird, um zu verhindern, dass die Bauern minderwertiges Saatgut benutzen.

In der Demokratischen Republik Kongo haben wir 1985 im Hinblick auf die Durchführung eines «Minimalen Landwirtschaftsplans» eine Machbarkeitsstudie zur Reisproduktion erstellt. Diese Studie, die eine grosse Verbreitung fand, hatte bewiesen, dass wenn man den Bauern der Provinz Kivu das in Yangambi (Landwirtschaftliches Forschungszentrum in der Demokratischen Republik Kongo, noch aus der Kolonialzeit stammend) produzierte verbesserte Saatgut für Bergreis verteilte, der Ertrag pro Hektar von 300 kg Paddyreis (vollkommen degenerierter Samen, der letzte Vertrieb fand 1954 statt) auf 3000 kg anstieg, was einer 1000%igen Steigerung auf den gleichen Saatflächen entspricht. Was auf den Reis zutrifft, trifft auch auf Mais und andere lebensnotwendige Kulturen zu.

In jener Zeit benötigte die Demokratische Republik Kongo 40% ihrer Reisproduktion, um die Bevölkerung zu ernähren, der Überschuss von 60% sollte exportiert werden und dem Land Devisen einbringen. Dieses Programm, das sich mit Hilfe eines Ausgleichsfonds selbst finanzieren sollte, konnte unglücklicherweise nicht zu Ende geführt werden. Der zu trauriger Berühmtheit gelangte Diktator Mobutu hatte es vorgezogen, sich mit seinem «politischen Familienclan» an den öffentlichen Geldern, die aus den Verkaufseinnahmen der Minenproduktion stammten, masslos zu bereichern. Diese verheerende Art der Geschäftsführung findet man in allen Ländern, die von Diktatoren beherrscht werden, die sich nur mit Waffengewalt und der unzulässigen Unterstützung gewisser westlicher Regierungen an der Macht halten können.

Schlussbemerkungen

Zum Abschluss möchten wir nochmals betonen, dass Afrika absolut keine gentechnisch modifizierten Pflanzen braucht und dass die Nahrungsmittelspenden, die es von den entwickelten Ländern erhält und die von internationalen humanitären Organisationen verteilt werden, niemals eine Lösung für die derzeit unzureichende Nahrungsmittelsituation sein können. Afrika muss vielmehr einen grossen Teil seines landwirtschaftlich nutzbaren Landes, das von fremden Siedlern in Beschlag genommen wurde, um in industriellen Mengen für den Export zu produzieren, zurückerhalten. Die afrikanischen Völker haben die Pflicht, sich den lebenswichtigen landwirtschaftlichen Kulturen zu widmen - dies ist der einzige Garant für Freiheit und die Unabhängigkeit vom erniedrigenden ausländischen Paternalismus.

Die Entwicklung der Landwirtschaft wird zahlreiche Arbeitsplätze für die einheimische Bevölkerung schaffen, und gleichzeitig werden diese lebenswichtigen Kulturflächen nach und nach auch maschinell bearbeitet werden können. Die Staaten Afrikas werden sich an einen Tisch setzen müssen, um sowohl die bestehenden Möglichkeiten als auch diejenigen, die unter der Führung der Organisation Afrikanischer Staaten (OAS) geschaffen werden müssen, festzulegen, damit der Nahrungsbedarf ihrer Bevölkerungen an gesunden, natürlichen und ausgewogenen Lebensmitteln gedeckt werden kann. Es ist absolut unakzeptabel, dass Länder wie Angola und Südsudan weiterhin aus den westlichen Ländern genmanipulierten Mais erhalten, während unter anderem in Benin und Togo ein Überschuss an natürlich gewachsenem Mais produziert wird - ohne dass ein Abnehmer gefunden werden kann.

Als Naturwissenschafter (Polytechniker) unterstütze ich alle Fortschritte der Wissenschaft, welche die natürlichen Lebensbedingungen des Menschen verbessern. Was ich aber niemals akzeptieren werde, ist wenn mit wissenschaftlichen Entdeckungen kommerzielle Manipulation betrieben wird, die den Menschen entwürdigt, und wenn aus seinem Unwissen Profit geschlagen wird, um ihn beliebig auszubeuten, bis seine Würde schaden erleidet.
Artikel 1: Zeit-Fragen Nr.46 vom 29.11.2004, letzte Änderung am 1.12.2004


*Joseph Kyalangilwa ist Präsident der Zivilgesellschaft der Provinz Süd-Kivu und Präsident des Great-Lakes Forum International

17.02.09